Mikrokristalle aus Haushaltszucker (Saccharose)

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

im letzten Blogbeitrag stand die D-Glucose (Traubenzucker) im Mittelpunkt der Betrachtung.

Hier ein Foto, das nach 4 Tagen Kristallwachstum aufgenommen wurde:

D-Glucose

D-Glucose
Aufnahme nach 4 Tagen Kristallwachstum

Heute wenden wir uns dem bekanntesten aller Zucker, dem Haushaltszucker zu. Er wird auch Rohrzucker und Rübenzucker genannt. Chemiker nennen ihn Saccharose und ganz genau heißt er O-Alpha-D-Glucopyranosyl-(1->2)-Beta-D-fructofuranose. Hier seine Formel:

Saccharose

Saccharose
O-Alpha-Glucopyranosyl-(1->2)-Beta-D-fructofuranose)

Saccharose besteht aus einem Molekül D-Glucose (Traubenzucker), das ist der linker Ring und einem Molekül D-Fructose (Fruchtzucker), rechter Ring. Auch hier noch einmal der kleine Hinweis: Die Natur zaubert aus einigen wenigen Stoffen, durch geringfügige räumliche Variation, hier der OH-Gruppen, die unterschiedlichsten Stoffe.

Das Zuckermolekül ist nicht sehr stabil. Schon ganz geringe Säuremengen führen zur sogenannten Invertierung. Das heißt, Zerfall in die Ausgangsstoffe D-Glucose und D-Fructose. Man nennt diese Zuckermischung Invertzucker. Honig z.B. besteht im Wesentlichen aus Invertzucker. Wässrige Lösungen von Saccharose invertieren beim Erhitzen. Wenn wir mit Saccharose Kristalle züchten, die wässrige Lösung also nicht erhitzen!

Auch beim Kristallisieren von Saccharose muß man sich Zeit lassen. Meist setzt die Kristallisation erst nach 4 Tagen ein und benötigt 1 – 3 Wochen bis zur vollständigen Kristallisation. Man gibt auf einen sauberen Objektträger einige wenige Zuckerkörner. Wenig ist hier besser als zuviel. Dann einen Tropfen dest. Wasser zugeben. Die Kristalle lösen sich vollständig auf. Ohne Deckglas an einem staubfreien Ort stehenlassen. Staub ist hier besonders gefährlich, weil die Probe lange steht und am klebrigen Zucker gerne Staub hängen bleibt.

Nach einigen Tagen setzt die Kristallisation punktförmig ein. Bis zur vollständigen Kristallisation dauert es eine Weile. Man kann aber zwischendurch fotografieren, aber auch hier auf Staub aufpassen.

Hier 2 Fotos, die nach 4 Tagen aufgenommen wurden:

Saccharose

Saccharose
Aufnahme nach 4 Tagen

 

Saccharose

Saccharose
Aufnahme nach 4 Tagen

Zucker lassen sich nicht aus  Schmelzen kristallisieren, da sie sich bereits unterhalb ihrer Schmelzpunkte zersetzen. Die verschiedenen Zucker sind praktisch nur in Wasser löslich. (Traubenzucker löst sich etwas in Spiritus in der Wärme).

Die hier bislang behandelten Zucker waren sogenannte Hexosen, weil sie 6 Kohlenstoffatome besitzen. Es gibt auch Zucker, die bestehen aus 5 Kohlenstoffatomen, man nennt sie Pentosen. Der bekannteste ist die Beta-D-Ribose, sie ist Bestandteil unserer DNA und RNA. Ein ganz ähnlicher Zucker ist die Arabinose. Sie bildet sehr schöne Kristalle.

Hier schon mal ein kleiner Vorgeschmack:

Arabinose

L-(+)-Arabinose

Die Arabinose wird der Gegenstand meines nächsten Blogbeitrags sein.

Bis dahin, liebe Freunde der Mikrokristalle,

wünsche ich viel Spaß und Geduld beim Experimentieren mit Zucker und eine schöne Zeit.

H-D-S

Zucker: Der etwas sperriger Stoff für Mikrokristalle

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

wir sind es gewohnt, mit Zucker unseren Haushaltszucker zu bezeichnen. Tatsächlich ist  Zucker aber der Oberbegriff einer großen Zahl verschiedener Zuckerarten, von denen uns u.a. Traubenzucker und Fruchtzucker gut bekannt sind.

Die Zucker sind außerordentlich wichtige Stoffe in der Natur. Sie dienen als Energiequelle, (Traubenzucker), Bausteine für Energiespeicher (Stärke) und sind Ausgangsmaterial für das in der Natur am häufigsten synthetisierte Stützmaterial, der Cellulose. Auch unsere DNA und RNA enthält ein bestimmtes Zuckermolekül, die D-Ribose.

Unser Haushaltszucker, die Saccharose ist kondensiert aus einem Molekül D-Glucose (Traubenzucker) und einem Molekül D-Fructose (Fruchtzucker).

Hier in der Fischer-Projektion die beiden Zucker:

d-Glucose D-Fructose

D-Glucose und D-Fructose in der Fischer-Projektion

Die Kohlenstoff-Atome sowie die direkt am Kohlenstoff sitzenden Wasserstoff-Atome wurden weggelassen, die Sternchen kennzeichnen die asymmetrischen Kohlenstoff-Atome. Die Zucker sind also optisch aktiv, sie drehen die Ebene des polarisierten Lichts und sind aus dieser Sicht ideale Kandidaten für unsere Mikrokristallisation.

Am Beispiel der D-Glucose (Traubenzucker) soll in einer kleinen Exkursion gezeigt werden, wie die Natur durch nur geringfügige Änderungen eines Moleküls, ganz unterschiedliche Stoffe erzeugt. Zunächst sieht man, daß die D-Glucose 4 Asymmetriezentren besitzt, hier durch Sternchen gekennzeichnet. Somit existieren 2 exp4 = 16 stereoisomere Formen dieser Verbindung. Einige davon besitzen praktische Bedeutung. Aber damit nicht genug. Die D-Glucose, in Wasser gelöst, liegt nicht, wie in der obigen Formel dargestellt, geradlinig vor, sondern in einer ringförmigen Struktur, die D-Glucopyranose genannt wird. Am C1-Atom hat sich durch den Ringschluß ein neues Asymmetriezenrum gebildet, so daß zwei Formen der D-Glucopyranose existieren. Liegt in der räumlichen Struktur die OH-Gruppe am C1-Atom unterhalb des Rings, spricht man von Alpha-D-Glucopyranose:

Alpha-D-Glucopyranose

Ringschluß von D-Glucose zu Alpha-D-Glucopyranose

Befindet sich die OH-Gruppe am C1-Atom oberhalb des Rings, liegt eine Beta-D-Glucopyranose vor:

Beta-D-Glucopyranose

Ringschluß von D-Glucose zu Beta-D-Glucopyranose

Der einzige Unterschied ist also in der räumlichen Struktur, die Stellung der Hydroxylgruppe am C1 Atom. Man mag jetzt fragen, ob das wirklich so aufregend ist? Ja, es ist! Die Glucopyranosen sind in der Lage, zu langen Ketten zu kondensieren. Dabei bildet die Alpha-D-Glycopyranose Stärke-Moleküle, ein Hauptbestandteil unserer Nahrung. Die Beta-D-Glucopyranose hingegen kondensiert zu Cellulose-Molekülen, dem Hauptbestandteil der Pflanzenzellwände. Etwas modifiziert bildet sie auch den Baustoff der Panzer von Schildkröten. Es ist doch wirklich erstaunlich, was eine geringfügige räumliche Modifikation bewirken kann.

Soweit die kleine Exkursion. Auf unsere Mikrokristalle hat das Verhalten der D-Glucose aber auch seine Auswirkungen. Man wird schnell feststellen, daß Traubenzucker aus wässriger Lösung nur langsam kristallisiert. Woran liegt das?

Traubenzucker liegt normalerweise in kristalliner Form als Alpha-D-Glucopyranose vor. In Wasser aufgelöst, stellt sich in einem mehrere Stunden dauernden Prozess ein Gleichgewicht zwischen Alpha- und Beta-Form ein. Es wird also ein Teil der im Kristall vorliegenden Alpha-Form in die Beta-Form umgewandelt.

Umgekehrt, beginnt der Traubenzucker wieder aus der Lösung zu kristallisieren, entstehen bei Raumtemperatur wieder reine Alpha-D-Glucopyranose-Kristalle. Die zuvor entstandene Beta-D-Glucopyranose wird also wieder in Alpha-D-Glucopyranose umgewandelt.

Das alles erfordert Zeit, und daher kristallisiert Traubenzucker nur langsam. (Für den besonders interessierten Mikroskopiker: Da durch den beschriebenen Umwandlungsprozess eine Drehwertverschiebung in der Lösung eintritt, kann diese unter dem Polarisationsmikroskop beobachtet werden).

Hier zur Entspannung zwei Fotos von Traubenzucker:

Traubenzucker

Traubenzucker
D-Glucose

 

 

Traubenzucker

Traubenzucker
D-Glucose

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle.

Was man beim Kristallisieren von Traubenzucker beachten muß, wird das Thema des nächsten Blogbeitrags sein.

Bis dahin eine gute Zeit.

H-D-S