Zucker: Der etwas sperriger Stoff für Mikrokristalle

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

wir sind es gewohnt, mit Zucker unseren Haushaltszucker zu bezeichnen. Tatsächlich ist  Zucker aber der Oberbegriff einer großen Zahl verschiedener Zuckerarten, von denen uns u.a. Traubenzucker und Fruchtzucker gut bekannt sind.

Die Zucker sind außerordentlich wichtige Stoffe in der Natur. Sie dienen als Energiequelle, (Traubenzucker), Bausteine für Energiespeicher (Stärke) und sind Ausgangsmaterial für das in der Natur am häufigsten synthetisierte Stützmaterial, der Cellulose. Auch unsere DNA und RNA enthält ein bestimmtes Zuckermolekül, die D-Ribose.

Unser Haushaltszucker, die Saccharose ist kondensiert aus einem Molekül D-Glucose (Traubenzucker) und einem Molekül D-Fructose (Fruchtzucker).

Hier in der Fischer-Projektion die beiden Zucker:

d-Glucose D-Fructose

D-Glucose und D-Fructose in der Fischer-Projektion

Die Kohlenstoff-Atome sowie die direkt am Kohlenstoff sitzenden Wasserstoff-Atome wurden weggelassen, die Sternchen kennzeichnen die asymmetrischen Kohlenstoff-Atome. Die Zucker sind also optisch aktiv, sie drehen die Ebene des polarisierten Lichts und sind aus dieser Sicht ideale Kandidaten für unsere Mikrokristallisation.

Am Beispiel der D-Glucose (Traubenzucker) soll in einer kleinen Exkursion gezeigt werden, wie die Natur durch nur geringfügige Änderungen eines Moleküls, ganz unterschiedliche Stoffe erzeugt. Zunächst sieht man, daß die D-Glucose 4 Asymmetriezentren besitzt, hier durch Sternchen gekennzeichnet. Somit existieren 2 exp4 = 16 stereoisomere Formen dieser Verbindung. Einige davon besitzen praktische Bedeutung. Aber damit nicht genug. Die D-Glucose, in Wasser gelöst, liegt nicht, wie in der obigen Formel dargestellt, geradlinig vor, sondern in einer ringförmigen Struktur, die D-Glucopyranose genannt wird. Am C1-Atom hat sich durch den Ringschluß ein neues Asymmetriezenrum gebildet, so daß zwei Formen der D-Glucopyranose existieren. Liegt in der räumlichen Struktur die OH-Gruppe am C1-Atom unterhalb des Rings, spricht man von Alpha-D-Glucopyranose:

Alpha-D-Glucopyranose

Ringschluß von D-Glucose zu Alpha-D-Glucopyranose

Befindet sich die OH-Gruppe am C1-Atom oberhalb des Rings, liegt eine Beta-D-Glucopyranose vor:

Beta-D-Glucopyranose

Ringschluß von D-Glucose zu Beta-D-Glucopyranose

Der einzige Unterschied ist also in der räumlichen Struktur, die Stellung der Hydroxylgruppe am C1 Atom. Man mag jetzt fragen, ob das wirklich so aufregend ist? Ja, es ist! Die Glucopyranosen sind in der Lage, zu langen Ketten zu kondensieren. Dabei bildet die Alpha-D-Glycopyranose Stärke-Moleküle, ein Hauptbestandteil unserer Nahrung. Die Beta-D-Glucopyranose hingegen kondensiert zu Cellulose-Molekülen, dem Hauptbestandteil der Pflanzenzellwände. Etwas modifiziert bildet sie auch den Baustoff der Panzer von Schildkröten. Es ist doch wirklich erstaunlich, was eine geringfügige räumliche Modifikation bewirken kann.

Soweit die kleine Exkursion. Auf unsere Mikrokristalle hat das Verhalten der D-Glucose aber auch seine Auswirkungen. Man wird schnell feststellen, daß Traubenzucker aus wässriger Lösung nur langsam kristallisiert. Woran liegt das?

Traubenzucker liegt normalerweise in kristalliner Form als Alpha-D-Glucopyranose vor. In Wasser aufgelöst, stellt sich in einem mehrere Stunden dauernden Prozess ein Gleichgewicht zwischen Alpha- und Beta-Form ein. Es wird also ein Teil der im Kristall vorliegenden Alpha-Form in die Beta-Form umgewandelt.

Umgekehrt, beginnt der Traubenzucker wieder aus der Lösung zu kristallisieren, entstehen bei Raumtemperatur wieder reine Alpha-D-Glucopyranose-Kristalle. Die zuvor entstandene Beta-D-Glucopyranose wird also wieder in Alpha-D-Glucopyranose umgewandelt.

Das alles erfordert Zeit, und daher kristallisiert Traubenzucker nur langsam. (Für den besonders interessierten Mikroskopiker: Da durch den beschriebenen Umwandlungsprozess eine Drehwertverschiebung in der Lösung eintritt, kann diese unter dem Polarisationsmikroskop beobachtet werden).

Hier zur Entspannung zwei Fotos von Traubenzucker:

Traubenzucker

Traubenzucker
D-Glucose

 

 

Traubenzucker

Traubenzucker
D-Glucose

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle.

Was man beim Kristallisieren von Traubenzucker beachten muß, wird das Thema des nächsten Blogbeitrags sein.

Bis dahin eine gute Zeit.

H-D-S