Den Wirkstoff Naproxen aus einem Schmerzmittel isolieren.

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

wir alle kennen das Problem: Wie beschaffen wir uns chemische Stoffe, die zur Züchtung vom Mikrokristallen geeignet sind. Das zu Recht sehr strenge Chemikaliengesetz, schränkt den freien Verkauf von Chemikalien für chemische Laien erheblich ein. Für unsere Zwecke benötigen wir zwar nur sehr geringe Mengen, sie liegen im Milligramm-Bereich, aber seriöse Händler verkaufen Chemikalien grundsätzlich nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Was können wir tun? Es gibt eine Reihe rezeptfreier Medikamente, die Wirkstoffe enthalten, die für unsere Zwecke besonders gut geeignet sind, und die sich ohne großen Aufwand isolieren lassen.

Ein solches Medikament ist das „Dolormin für Frauen“, das den Wirkstoff  Naproxen enthält. Dieses pharmazeutische Produkt wird wohl den meisten von uns unbekannt sein, aber fast jeder kennt das Schmerzmittel Ibuprofen. Ibuprofen zählt zur Gruppe der optisch aktiven chemischen Verbindungen. In meinem Blogbeitrag „Optische Aktivität am Beispiel der Weinsäure“ , April 2015, habe ich das Phänomen der optischen Aktivität ausführlich beschrieben. Hier eine ganz kurze Zusammenfassung: Befinden sich in einer chemischen Verbindung an einem Kohlenstoffatom 4 verschiedene Liganden, so nennt man dieses Kohlenstoffatom asymmetrisch. Sind ein oder mehrere asymmetrische Kohlenstoffatome vorhanden, so ist die Verbindung optisch aktiv. Optisch aktive chemische Verbindungen drehen die Ebene des polarisierten Lichts. Je nach  Anordnung der Liganden sind sie links- oder rechtsdrehend. Es gibt bei optisch aktiven Verbindungen mit einem asymmetrischen Kohlenstoffatom also immer 2 Formen, eine linksdrehende und eine rechtsdrehende. In ihrem chemischen Verhalten unterscheiden sich beide Formen nicht. Daher entstehen bei der Synthese einer chemischen Verbindung mit einem asymmetrischen Kohlenstoffatom auch immer beide Formen genau zu gleichen Teilen, da es statistisch betrachtet, keine Bevorzugung der einen oder anderen Form gibt. Das ist auch der Fall beim Ibuprofen. Ibuprofen besitzt ein asymmetrisches Kohlenstoffatom. Auch hier entstehen bei der chemischen Synthese zu genau  gleichen Teilen die linksdrehende und die rechtsdrehende Form. Eine solche Mischung nennt man Racemat.

Obgleich die beiden Komponenten, man nennt sie optische Antipoden, sich in ihrem chemischen Verhalten nicht unterscheiden, wirkt nur eine von ihnen gegen Schmerzen. Diese Komponente ist das Naproxen. (Warum das so ist, wird in einer kleinen Exkursion in meinem nächsten Blogbeitrag betrachtet). Das Schmerzmittel Ibuprofen ist ein Racemat, es enthält also sowohl die linksdrehende als auch  die rechtsdrehende Form. Der wirksame Anteil, das Naproxen ist darin zu 50% enthalten. Die Trennung optischer Antipoden ist ein aufwendiger Prozess, vermutlich verzichtet man daher auf die Trennung beim Ibuprofen.

Für chemisch interessierten, hier die Formel des Naproxens:

Naproxen

Naproxen

Das Sternchen kennzeichnet das asymmetrische Kohlenstoffatom. In der räumlichen Darstellung erkennt man die 4 Liganden an diesem Atom besser, es ist durch den kleinen blauen Punkt markiert:

Naproxen

Naproxen

 

Wer den Wirkstoff aus einer Tablette isolieren möchte, sollte beachten, daß sich keine weiteren Wirkstoffe in dem Medikament befinden. Ein Medikament, das reines Naproxen enthält, ist das „Dolormin für Frauen“.

Dolormin

Dolormin

Bitte aufpassen, es gibt auch noch andere Zubereitungen die auch unter der Bezeichnung Dolormin verkauft werden, sie enthalten aber nicht das reine Naproxen!

Es ist einfach, Naproxen aus einer Tablette zu isolieren. Man benötigt 2 kleine 50 ml Bechergläser, Schnapsgläser tun es zur Not auch, einen kleinen Filtertrichter, einen Glasstab, der Stil eines Teelöffels geht auch, und ein Papierfilter. Als Filter kann man das Papier eines Kaffeefilters verwenden. Als Lösungsmittel verwenden wir Spiritus.
Aus dem Kaffeefilter schneidet man ein rundes Filter aus, Durchmesser ca. 8-10 cm.

Eine Tablette Dolormin wird zu einem Pulver fein zerkleinert. Wer hat, verwendet einen Mörser. Man kann die Tablette aber auch zwischen 2 Blatt Papier legen und mit einem Hammer vorsichtig zerkleinert. Das Pulver gibt man in ein 50 ml Becherglas. Wer kein Becherglas besitzt, kann auch ein anderes Glas, wie z.B. ein Schnapsglas verwenden. Man fügt ca. 10 ml Spiritus zu und rührt mit einem Glasstab ein paar Minuten. Das Naproxen ist löslich in Spiritus und trennt sich auf diese Weise von den in Spiritus unlöslichen übrigen Tabletten-Bestandteilen. Am Besten läßt man das Ganze eine Stunde stehen. Nun nimmt man das runde Filter, faltet es 2 mal, so daß eine kleine Filtertüte entsteht. Diese setzt man in den Trichter ein und befeuchtet das Filter mit etwas Spiritus. Dadurch liegt es glatt an der Wand des Trichters an. Nun filtriert man vorsichtig in das zweite Becherglas. Die Flüssigkeit an dem Glasstab entlang laufen lassen. Es entsteht ein leicht trübes, gelbliches Filtrat. Man läßt es ca. eine Stunde stehen und filtriert dann nochmals. Man erhält so ein fast klares Filtrat.

Von dem Filtrat kann man schon einmal einen Tropfen auf einen Objektträger geben. Das Naproxen kristallisiert sehr schnell. Meist sind die Kristalle nicht sonderlich schön, manchmal gelingen sie aber gut, hier 2 Beispiele, die so wie hier beschrieben entstanden sind:

Naproxen, kristallisiert aus einer Spiritus-Lösung.

Naproxen, kristallisiert aus einer Spiritus-Lösung.

 

Naproxen, kristallisiert aus einer Spiritus-Lösung.

Naproxen, kristallisiert aus einer Spiritus-Lösung.

 

Das Becherglas lässt man offen an einem staubfreien Ort stehen, damit der Spiritus verdampfen kann. Keinesfalls darf in der Nähe eine offene Flamme sein! Wir müssen ein paar Tage Geduld haben, bis der Spiritus verdampft ist.

In der Zwischenzeit kann man aber den Objektträger mit dem fein kristallisierten Naproxen auf einer Herdplatte erwärmen. Naproxen schmilzt bei 152 Grad Celsius. Man sollte auf der kleinsten Stufe der Herdplatte arbeiten und langsam aufschmelzen. Nach dem Schmelzen kristallisiert das Produkt in wenigen Minuten. Die Kristalle, fotografiert im polarisierten Licht sahen dann so aus:

 

Naproxen, kristallisiert aus der Schmelze.

Naproxen, kristallisiert aus der Schmelze.

 

Wenn ein Teil des Spiritus in dem Becherglas verdampft ist, beginnt das Naproxen auskristallisieren. Sobald fast kein Spiritus mehr vorhanden ist, werden die Kristalle auf ein Filterpapier aufgebracht. Saugfähiges Papier, wie Zeitungspapier darunterlegen, um den restlichen Spiritus aufzusaugen. Nach dem Trocknen der Kristalle, sie sind sehr weich, fast wie Watte, diese in einem kleinen Fläschchen aufbewahren. Gibt man einige dieser Kristalle auf einen Objektträger mit Deckglas und schmilzt sie vorsichtig auf, so erhält man atemberaubend schöne Bilder unter dem Mikroskop im polarisierten Licht. Hier einige Proben:

Naproxen, isoliert aus einer Tablette. Kristallisation aus der Schmelze.

Naproxen, isoliert aus einer Tablette.
Kristallisation aus der Schmelze.

 

Naproxen

Naproxen, isoliert aus einer Tablette.
Kristallisation aus der Schmelze.

 

Naproxen

Naproxen, isoliert aus einer Tablette.
Kristallisation aus der Schmelze.

 

Wer statt Naproxen Ibuprofen aus einer Tablette isolieren möchte, kann genau wie oben beschrieben vorgehen. Auch mit Ibuprofen erhält man großartige Mikrofotos. Ein kleiner Hinweis noch für chemische Laien: Spiritus ist chemisch gesprochen Äthylalkohol. Auf reinem Äthylalkohol liegt eine hohe Steuer, er ist daher sehr teuer. Um den preiswerten Spiritus untrinkbar zu machen, wird er mit einem Stoff vergällt, der extrem bitter schmeckt. Darum sollte man in der Küche mit Spiritus vorsichtig zu Werke gehen, und Spiritus nicht mit Lebensmitteln in Verbindung zu bringen. Glasgefäße die Naproxen enthalten kann man nicht mit Wasser reinigen, da Naproxen in Wasser praktisch unlöslich ist. Man muß dafür Spiritus verwenden.

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle. In meinem nächsten Blogbeitrag geht es um die Frage fotografieren im RAW oder JPG-Format. Ein spannendes Thema.

Bis dahin wünsche ich eine gute Zeit.

H-D-S

 

 

 

 

 

 

Von der Köhlerschen- und der Kritischen Beleuchtung.

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,
ich hatte es angekündigt, die Köhlersche Beleuchtung ist heute mein Thema.

Diese Art der Beleuchtung ist nach Professor August Karl Valentin Köhler benannt, der sie 1893 im Rahmen seiner Doktorarbeit entwickelte, um korrekt belichtete Mikrofotos bei bestmöglicher Ausnutzung der Abbildungsleistung seines Mikroskops zu erhalten. Seine Arbeitsmethode war so bahnbrechend, daß sie bis heute von fast allen Mikroskopikern angewandt wird. Dennoch wird sie, inzwischen über 120 Jahre alt, durchaus in Foren kontrovers diskutiert. Es wird gefragt, ob das „Köhlern“, wie man die Arbeitsmethode meist nennt, noch wirklich zeitgemäß ist, da die Qualität der Mikroskope von 1893 mit den heutigen schließlich nicht mehr zu vergleichen ist.

Zunächst möchte ich die Köhlersche Beleuchtung beschreiben. Die Methode kann nur mit Mikroskopen durchgeführt werden, die folgende Komponenten besitzen: Kollektor, Leuchtfeldblende und Kondensor mit Aperturblende.

Image1_1

Ziel der Köhlerschen Beleuchtung ist es, ein möglichst homogen ausgeleuchtetes Bild ohne Streulicht zu erzeugen. Dafür wird das Lampenlicht des Mikroskops über einen Kollektor gebündelt und der Kondensor wird so eingestellt, daß die Lichtquelle in der Ebene der Aperturblende abgebildet wird. Das Objekt wird so von parallelen Lichtstrahlen, homogen bei maximaler Intensität durchleuchtet. In der folgenden Abbildung ist der Beleuchtungsstrahlengang grün dargestellt:

koehler_05
Man sieht, daß die Lichtquelle in der Ebene der Aperturblende abgebildet wird. Die Beleuchtungsstrahlen werden dann durch den Kondensor parallel ausgerichtet und treffen so auf das Präparat in der Objektebene. Beleuchtungsstrahlen die nicht auf Punkte in der Objektebene treffen, werden auf der Netzhaut als homogene helle Fläche wahrgenommen. Der Abbildungsstrahlengang ist rot dargestellt.

Und hier das Rezept für die Köhlersche Beleuchtung. Vorausgesetzt ist, daß Leuchtfeldblende und Kondensor zentriert sind:

  • Präparat unter das Mikroskop legen und Beleuchtung einschalten.
  • Leuchtfeldblende ganz öffnen.
  • Aperturblende ganz öffnen.
  • Kondensor bis zum oberen Anschlag vorsichtig hochfahren.
  • Präparat scharf stellen.
  • Leuchtfeldblende vollständig schließen.
  • Kondensor soweit herunterfahren, bis der Rand der Leuchtfeldblende möglichst scharf ist (ev. Farbsaum schlägt von Rot nach Blau um).
  • Leuchtfeldblende soweit öffnen, bis Blendenrand gerade aus dem Sichtfeld verschwindet.
  • Aperturblende ca. halb schließen.

Bei jedem Objektivwechsel muß der Vorgang wiederholt werden.

Manche Mikroskope besitzen zwar einen Kondensor mit Aperturblende, aber keine Leuchtfeldblende. In solchen fällen kann man sich mit der sogenannten „Kritischen Beleuchtung“ helfen. Man benötigt einen Objektträger, auf den man mit einem Filzstift ein kleines Kreuz zeichnet.

  • Präparat unter das Mikroskop legen und Beleuchtung einschalten.
  • Aperturblende ganz öffnen.
  • Kondensor bis zum oberen Anschlag vorsichtig hochfahren.
  • Präparat scharf stellen.
  • Objektträger mit Kreuz auf die Beleuchtungseinrichtung legen.
  • Kondensor soweit herunterfahren, bis das Kreuz scharf abgebildet wird.
  • Objektträger mit Kreuz wieder entfernen.
  • Aperturblende ca. halb schließen.

Auch hier muß der Kondensor mit den Zentrierschrauben vorher zentriert worden sein. Die Kritische Beleuchtung hat den Nachteil, daß eventuell die Wendel der Leuchtquelle stört. In solchen Fällen den Kondensor etwas herunterdrehen oder ein Mattscheibenfilter verwenden.

Hier Vergleichsaufnahmen:

Benzoesäure 40x

Benzoesäure 40x
Kondensor am oberen Anschlag
Leuchtfeldblende ganz geöffnet.

 

Benzoesäure_40x_kr

Benzoesäure 40x
Kritische Beleuchtung.

 

Benzoesäure_40x_k

Benzoesäure 40x
Köhlersche Beleuchtung.

 

Benzoesäure_100x

Benzoesäure 100x
Kondensor am oberen Anschlag
Leuchtfeldblende ganz geöffnet.

 

Benzoesäure_100x_kr

Benzoesäure 100x
Kritische Beleuchtung.

 

Benzoesäure_100x_k

Benzoesäure 100x
Köhlersche Beleuchtung.

 

Alle Aufnahmen sind vollkommen unbearbeitet. Auf einem großen Monitor betrachtet erkennt man bei den Originalbildern durchaus gewisse Unterschiede, die hier auf dem Blog nicht so klar herauskommen. Es liegen aber keine Welten dazwischen. Ich konnte aber bei verschiedenen Vergleichsaufnahmen immer wieder die Erfahrung machen, daß ausnahmslos die geköhlerten Aufnahmen die besten waren. Mir ist das Köhlern in Fleisch und Blut übergegangen, so daß ich es vor jeder Aufnahme bei Objektivwechsel vornehme. Aber es sei gesagt, wer die Einrichtung zum Köhlern an seinem Mikroskop nicht besitzt, muß nicht verzweifeln, so groß sind die Unterschiede nicht.

Soviel für heute liebe Freunde der Mikrokristalle.

In meinem nächsten Blogbeitrag geht es um Mikrofotos von Naproxen. Diesen pharmazeutischen Wirkstoff kann man leicht aus rezeptfreien Tabletten isolieren. Man bekommt atemberaubende Aufnahmen.

Bis dahin wünsche ich eine gute Zeit und fröhliches Köhlern.

 

H-D-S