Mikrokristalle aus D-Glucose (Traubenzucker)

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

es wurde schon erwähnt, Traubenzucker verhält sich beim Kristallisieren etwas sperrig. Man benötigt Geduld! Dann erhält man aber auch schöne Ergebnisse. Der Grund für die langsame Kristallisation wurde im letzten Blogbeitrag schon erwähnt: Traubenzucker liegt in wässriger Lösung in einer ringförmigen Struktur vor. Bei diesem Ringschluß entstehen 2 neue Strukturisomere die hier Anomere genannt werden. Es sind dies die Alpha-D-Glucopyranose und die Beta-D-Glucopyranose. In Traubenzucker-Kristallen die aus wässriger Lösung bei Raumtemperatur gezüchtet werden, liegt nur die Alpha-Form vor. Das heißt aber, daß Beta-D-Glucopyranose in die Alpha-Form umgewandelt werden muß. Dieser Umwandlungsprozess vollzieht sich sehr langsam. Auf dem Objektträger dauert es manchmal mehrere Tage, bis eine sichtbare Kristallisation einsetzt.

Nun zum ganz praktischen Teil:

Traubenzucker erhält man in jedem Supermarkt, aber Vorsicht: Er enthält meist Zusatzstoffe wie z.B. Vitamine. Auf der Verpackung sind diese Stoffe aufgeführt. Es ist zweckmäßig, sie so gut es geht, zu entfernen. Da Traubenzucker in Spiritus nur wenig löslich ist, kann man ihn mit Spiritus waschen. Dazu übergießt man in einem Becherglas 1/2 Teelöffel Traubenzucker mit ca. 10 ml Spiritus und rührt ein paar Sekunden. Dann gießt man den Spiritus vorsichtig ab, (man nennt das dekantieren). Diesen Vorgang wiederholt man 3-4 mal. Der vorher meist etwas gelbliche Traubenzucker ist jetzt ganz weiß. Man gibt  ca. 20 ml dest. Wasser zu. Der Traubenzucker löst sich vollständig. Von dieser Lösung gibt man einen Tropfen auf einen sauberen Objektträger und läßt ihn an einem staubfreien Ort stehen. Wenn man Glück hat, beginnt die Kristallisation nach einigen Tagen. Wenn nach 3-4 Tagen noch keinerlei sichtbare Kristallisation eingesetzt hat, nimmt man 1-2 Traubenzuckerkörnchen und gibt sie vorsichtig auf den Objektträger. Manchmal, nach einigen Stunden, setzt dann die Kristallisation im Bereich des Impfkristalls ein. Man kann auch, z.B. mit der Spitze eines Objektträgers, an der Probe etwas kratzen, auch das hilft, die Kristallisation in Gang zu setzen.

Hier ein Beispiel einer Aufnahme, die ca. 24 Stunden nach dem Animpfen mit einem Traubenzucker-Körnchen aufgenommen wurde:

D-Glucose

D-Glucose (Traubenzucker) ca. 24 Stunden nach Animpfen

Wie schon erwähnt, löst sich Traubenzucker nur wenig in kaltem Spiritus. In heißem Spiritus löst er sich etwas besser. Man kann etwas von dem durch Dekantieren gereinigten Traubenzucker mit Spiritus zum Kochen bringen (Niemals bei offener Flamme !!!), und einen Tropfen der heißen Lösung auf einen Objektträger geben. Manchmal erfolgt die Kristallisation über Nacht, da hier nur Alpha-D-Glucopyranose entsteht. Manchmal hat man aber auch die gleichen Probleme wie mit der wässrigen Lösung. Wenn sich bei diesem Verfahren nur Einzelkristalle bilden, (weil die Lösung sehr dünn ist), eignen sich diese sehr gut zum Animpfen.

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle.

Wie sich die angeimpften Traubenzucker-Kristalle weiterentwickeln und was man mit Haushaltszucker anstellen kann, wird das Thema meines nächsten Blogbeitrags sein.

Bis dahin wünsche ich eine gute Zeit.

H-D-S

Zucker: Der etwas sperriger Stoff für Mikrokristalle

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

wir sind es gewohnt, mit Zucker unseren Haushaltszucker zu bezeichnen. Tatsächlich ist  Zucker aber der Oberbegriff einer großen Zahl verschiedener Zuckerarten, von denen uns u.a. Traubenzucker und Fruchtzucker gut bekannt sind.

Die Zucker sind außerordentlich wichtige Stoffe in der Natur. Sie dienen als Energiequelle, (Traubenzucker), Bausteine für Energiespeicher (Stärke) und sind Ausgangsmaterial für das in der Natur am häufigsten synthetisierte Stützmaterial, der Cellulose. Auch unsere DNA und RNA enthält ein bestimmtes Zuckermolekül, die D-Ribose.

Unser Haushaltszucker, die Saccharose ist kondensiert aus einem Molekül D-Glucose (Traubenzucker) und einem Molekül D-Fructose (Fruchtzucker).

Hier in der Fischer-Projektion die beiden Zucker:

d-Glucose D-Fructose

D-Glucose und D-Fructose in der Fischer-Projektion

Die Kohlenstoff-Atome sowie die direkt am Kohlenstoff sitzenden Wasserstoff-Atome wurden weggelassen, die Sternchen kennzeichnen die asymmetrischen Kohlenstoff-Atome. Die Zucker sind also optisch aktiv, sie drehen die Ebene des polarisierten Lichts und sind aus dieser Sicht ideale Kandidaten für unsere Mikrokristallisation.

Am Beispiel der D-Glucose (Traubenzucker) soll in einer kleinen Exkursion gezeigt werden, wie die Natur durch nur geringfügige Änderungen eines Moleküls, ganz unterschiedliche Stoffe erzeugt. Zunächst sieht man, daß die D-Glucose 4 Asymmetriezentren besitzt, hier durch Sternchen gekennzeichnet. Somit existieren 2 exp4 = 16 stereoisomere Formen dieser Verbindung. Einige davon besitzen praktische Bedeutung. Aber damit nicht genug. Die D-Glucose, in Wasser gelöst, liegt nicht, wie in der obigen Formel dargestellt, geradlinig vor, sondern in einer ringförmigen Struktur, die D-Glucopyranose genannt wird. Am C1-Atom hat sich durch den Ringschluß ein neues Asymmetriezenrum gebildet, so daß zwei Formen der D-Glucopyranose existieren. Liegt in der räumlichen Struktur die OH-Gruppe am C1-Atom unterhalb des Rings, spricht man von Alpha-D-Glucopyranose:

Alpha-D-Glucopyranose

Ringschluß von D-Glucose zu Alpha-D-Glucopyranose

Befindet sich die OH-Gruppe am C1-Atom oberhalb des Rings, liegt eine Beta-D-Glucopyranose vor:

Beta-D-Glucopyranose

Ringschluß von D-Glucose zu Beta-D-Glucopyranose

Der einzige Unterschied ist also in der räumlichen Struktur, die Stellung der Hydroxylgruppe am C1 Atom. Man mag jetzt fragen, ob das wirklich so aufregend ist? Ja, es ist! Die Glucopyranosen sind in der Lage, zu langen Ketten zu kondensieren. Dabei bildet die Alpha-D-Glycopyranose Stärke-Moleküle, ein Hauptbestandteil unserer Nahrung. Die Beta-D-Glucopyranose hingegen kondensiert zu Cellulose-Molekülen, dem Hauptbestandteil der Pflanzenzellwände. Etwas modifiziert bildet sie auch den Baustoff der Panzer von Schildkröten. Es ist doch wirklich erstaunlich, was eine geringfügige räumliche Modifikation bewirken kann.

Soweit die kleine Exkursion. Auf unsere Mikrokristalle hat das Verhalten der D-Glucose aber auch seine Auswirkungen. Man wird schnell feststellen, daß Traubenzucker aus wässriger Lösung nur langsam kristallisiert. Woran liegt das?

Traubenzucker liegt normalerweise in kristalliner Form als Alpha-D-Glucopyranose vor. In Wasser aufgelöst, stellt sich in einem mehrere Stunden dauernden Prozess ein Gleichgewicht zwischen Alpha- und Beta-Form ein. Es wird also ein Teil der im Kristall vorliegenden Alpha-Form in die Beta-Form umgewandelt.

Umgekehrt, beginnt der Traubenzucker wieder aus der Lösung zu kristallisieren, entstehen bei Raumtemperatur wieder reine Alpha-D-Glucopyranose-Kristalle. Die zuvor entstandene Beta-D-Glucopyranose wird also wieder in Alpha-D-Glucopyranose umgewandelt.

Das alles erfordert Zeit, und daher kristallisiert Traubenzucker nur langsam. (Für den besonders interessierten Mikroskopiker: Da durch den beschriebenen Umwandlungsprozess eine Drehwertverschiebung in der Lösung eintritt, kann diese unter dem Polarisationsmikroskop beobachtet werden).

Hier zur Entspannung zwei Fotos von Traubenzucker:

Traubenzucker

Traubenzucker
D-Glucose

 

 

Traubenzucker

Traubenzucker
D-Glucose

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle.

Was man beim Kristallisieren von Traubenzucker beachten muß, wird das Thema des nächsten Blogbeitrags sein.

Bis dahin eine gute Zeit.

H-D-S