Zucker: Der etwas sperriger Stoff für Mikrokristalle

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

wir sind es gewohnt, mit Zucker unseren Haushaltszucker zu bezeichnen. Tatsächlich ist  Zucker aber der Oberbegriff einer großen Zahl verschiedener Zuckerarten, von denen uns u.a. Traubenzucker und Fruchtzucker gut bekannt sind.

Die Zucker sind außerordentlich wichtige Stoffe in der Natur. Sie dienen als Energiequelle, (Traubenzucker), Bausteine für Energiespeicher (Stärke) und sind Ausgangsmaterial für das in der Natur am häufigsten synthetisierte Stützmaterial, der Cellulose. Auch unsere DNA und RNA enthält ein bestimmtes Zuckermolekül, die D-Ribose.

Unser Haushaltszucker, die Saccharose ist kondensiert aus einem Molekül D-Glucose (Traubenzucker) und einem Molekül D-Fructose (Fruchtzucker).

Hier in der Fischer-Projektion die beiden Zucker:

d-Glucose D-Fructose

D-Glucose und D-Fructose in der Fischer-Projektion

Die Kohlenstoff-Atome sowie die direkt am Kohlenstoff sitzenden Wasserstoff-Atome wurden weggelassen, die Sternchen kennzeichnen die asymmetrischen Kohlenstoff-Atome. Die Zucker sind also optisch aktiv, sie drehen die Ebene des polarisierten Lichts und sind aus dieser Sicht ideale Kandidaten für unsere Mikrokristallisation.

Am Beispiel der D-Glucose (Traubenzucker) soll in einer kleinen Exkursion gezeigt werden, wie die Natur durch nur geringfügige Änderungen eines Moleküls, ganz unterschiedliche Stoffe erzeugt. Zunächst sieht man, daß die D-Glucose 4 Asymmetriezentren besitzt, hier durch Sternchen gekennzeichnet. Somit existieren 2 exp4 = 16 stereoisomere Formen dieser Verbindung. Einige davon besitzen praktische Bedeutung. Aber damit nicht genug. Die D-Glucose, in Wasser gelöst, liegt nicht, wie in der obigen Formel dargestellt, geradlinig vor, sondern in einer ringförmigen Struktur, die D-Glucopyranose genannt wird. Am C1-Atom hat sich durch den Ringschluß ein neues Asymmetriezenrum gebildet, so daß zwei Formen der D-Glucopyranose existieren. Liegt in der räumlichen Struktur die OH-Gruppe am C1-Atom unterhalb des Rings, spricht man von Alpha-D-Glucopyranose:

Alpha-D-Glucopyranose

Ringschluß von D-Glucose zu Alpha-D-Glucopyranose

Befindet sich die OH-Gruppe am C1-Atom oberhalb des Rings, liegt eine Beta-D-Glucopyranose vor:

Beta-D-Glucopyranose

Ringschluß von D-Glucose zu Beta-D-Glucopyranose

Der einzige Unterschied ist also in der räumlichen Struktur, die Stellung der Hydroxylgruppe am C1 Atom. Man mag jetzt fragen, ob das wirklich so aufregend ist? Ja, es ist! Die Glucopyranosen sind in der Lage, zu langen Ketten zu kondensieren. Dabei bildet die Alpha-D-Glycopyranose Stärke-Moleküle, ein Hauptbestandteil unserer Nahrung. Die Beta-D-Glucopyranose hingegen kondensiert zu Cellulose-Molekülen, dem Hauptbestandteil der Pflanzenzellwände. Etwas modifiziert bildet sie auch den Baustoff der Panzer von Schildkröten. Es ist doch wirklich erstaunlich, was eine geringfügige räumliche Modifikation bewirken kann.

Soweit die kleine Exkursion. Auf unsere Mikrokristalle hat das Verhalten der D-Glucose aber auch seine Auswirkungen. Man wird schnell feststellen, daß Traubenzucker aus wässriger Lösung nur langsam kristallisiert. Woran liegt das?

Traubenzucker liegt normalerweise in kristalliner Form als Alpha-D-Glucopyranose vor. In Wasser aufgelöst, stellt sich in einem mehrere Stunden dauernden Prozess ein Gleichgewicht zwischen Alpha- und Beta-Form ein. Es wird also ein Teil der im Kristall vorliegenden Alpha-Form in die Beta-Form umgewandelt.

Umgekehrt, beginnt der Traubenzucker wieder aus der Lösung zu kristallisieren, entstehen bei Raumtemperatur wieder reine Alpha-D-Glucopyranose-Kristalle. Die zuvor entstandene Beta-D-Glucopyranose wird also wieder in Alpha-D-Glucopyranose umgewandelt.

Das alles erfordert Zeit, und daher kristallisiert Traubenzucker nur langsam. (Für den besonders interessierten Mikroskopiker: Da durch den beschriebenen Umwandlungsprozess eine Drehwertverschiebung in der Lösung eintritt, kann diese unter dem Polarisationsmikroskop beobachtet werden).

Hier zur Entspannung zwei Fotos von Traubenzucker:

Traubenzucker

Traubenzucker
D-Glucose

 

 

Traubenzucker

Traubenzucker
D-Glucose

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle.

Was man beim Kristallisieren von Traubenzucker beachten muß, wird das Thema des nächsten Blogbeitrags sein.

Bis dahin eine gute Zeit.

H-D-S

Adaptieren einer Spiegelreflexkamera an ein zum Polarisations-Mikroskop umgebautes Instrument älterer Bauart

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

Sie besitzen ein schon etwas angestaubtes Mikroskop,  es verfügt über keinen Extratubus um eine Spiegelreflex-Kamera anzusetzen, und Sie möchten Mikrofotos im polarisierten Licht aufnehmen. Die Modifikationen am Mikroskop selber wurde im vorigen Blogbeitag ausführlich beschrieben. Hier jetzt die Adaption der Kamera mit relativ einfachen Mitteln an ein so vorbereitetes Mikroskop:

Wenn, wie bei alten Mikroskopen üblich, das Scharfstellen über den Mikroskop-Tubus erfolgt, kann die Kamera nicht fest mit dem Tubus verbunden werden, sie würde durch ihr Gewicht auf den Tubus drücken und das Scharfstellen unmöglich machen. Zusätzlich würde es durch die Spiegelbewegungen zu Bewegungsunschärfen kommen. Die Kamera muß also an einem Stativ befestigt, und flexibel mit dem Mikroskop verbunden werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten: Eine sehr elegante Lösung bietet das Stativ eines alten Vergrößerungsapparates.

Adaption

Adaption einer Spiegelreflex-Kamera

Hier wurde die Kamera über einen Kugelkopf am Stativ befestigt. Durch Kugelkopf und Wasserwaage kann die Kamera leicht exakt ausgerichtet werden. Über den Tubus des Mikroskops stülpt man einen Kunststoffschlauch aus dem Baumarkt, der mit verschiedenen Durchmessern für weniger als einem Euro angeboten wird. Er wird normalerweise zur Isolierung von Wasserleitungen verwendet. Der hier gezeigte Schlauch hat folgende Maße: Innendurchmesser 3 cm Außendurchmesser 5 cm. Der Schlauch soll ca. 5 mm über dem Tubus mit Okular überstehen.

Für die hier gezeigte Kameraadaption wird nur das Kameragehäuse ohne Objektiv benötigt. Als Objektiv dient das Okular des Mikroskops, das sich daher auch im Tubus befinden muß.

Benötigt wird jetzt noch ein Polarisationsfilter und die Verbindung zur Kamera. Ein preiswerter Adapter kann folgendermaßen aussehen:

Mikroskop-Adapter

Mikroskopadapter bestehend aus Polarisationsfilter, M-42 Zwischenring, T2-Ring

Für alle gängigen Spiegelreflex-Kameras gibt es im Internet T2-Ringe. Diese besitzen objektivseitig immer ein M42-Gewinde und kameraseitig das Bajonett  des jeweiligen Kameratyps. Für Nikon kostet der Ring ca. 20 EURO (Stand 2014).  Auf den T2-Ring wurde ein alter M-42 Zwischenring geschraubt und darauf  ein lineares Polarisationsfilter (M55) mit Zweikomponentenkleber geklebt. (Polarisationsfilter mit M-42 Gewinde sind im Handel kaum zu bekommen). Fertig ist der Adapter.

(Um keine Verwirrung zu erzeugen: Auf dem Foto, „Adaption einer Spiegelreflex-Kamera“ das die ganze Adaption an das Mikroskop zeigt, fehlt der T2-Ring, da das alte Praktika-Kameragehäuse selber ein M-42 Gewinde besitzt und man somit den Adapter ohne T2-Ring direkt auf das Kameragehäuse schrauben kann). Der M-42 Zwischenring ist an sich nicht notwendig, aber sehr praktisch. Da wie erwähnt alle T2-Ringe objektivseitig ein M-42 Gewinde besitzen, braucht man beim Wechsel der Kameramarke nur den T2-Ring zu tauschen.  Das Polarisationsfilter kann auch ein Zirkularpolarisationsfilter sein, dann aber aufpassen daß es mit der richtigen Seite aufgeklebt wird!

Diesen Adapter setzt man an das Kameragehäuse an. Verwendet man das Stativ eines Vergrößerungsapparates, kann man jetzt die Kamera herunterfahren, bis das Polarisationsfilter gerade auf dem Schlauch aufliegt. Vorher sollte man schon ohne Kamera scharf stellen. Durch den Kamerasucher oder per Live-View kann die Schärfe durch Hoch- oder Runterfahren des Tubus kontrolliert werden. Gegebenenfalls muss das Kameragehäuse etwas nachgeführt werden. Das Polarisationsfilter soll auf jeden Fall auf dem Schaumstoffschlauch aufliegen. Da der Schlauch sehr weich ist, kann er beim Scharfstellen ruhig ein wenig zusammengedrückt werden.

Der Adapter wurde mit einer Spiegelreflex-Kamera (Nikon D 300s) an 2 Mikroskopen erprobt. Beide Mikroskope besaßen die nach der internationalen Norm DIN ISO 9345 – 1 vorgeschriebene Tubuslänge von 16 cm. Darauf sollte man beim Kauf eines gebrauchten Mikroskops achten.

An Stelle des Stativs eines Vergrößerungsapparates kann man auch ein Fotostativ mit Mittelsäule verwenden und diese umdrehen. Das Nachführen der Kamera ist dann etwas umständlich, funktioniert sonst aber gut.

Hier ein paar Beispiele, die mit dem obigen Mikroskop und einem Nikon D300s-Gehäuse aufgenommen wurden:

Hydrochinon/Schwefel

Hydrochinon/Schwefel

Hydrochinon/Benzoesäure

Hydrochinon/Benzoesäure

Hydrochinon/Cumarin

Hydrochinon/Cumarin

Obwohl das Mikroskop und das Material für Umbau und  Adaption, zusammen weniger als 200 EURO gekostet haben, erhält man doch sehr scharfe Fotos. Das Mikroskop ist ca. 35 Jahre alt und mechanisch und optisch in einem sehr gute Zustand. Wahrscheilich wurde es früher als Labormikroskop für professionelle Zwecke verwendet. Keinesfalls soll im Übrigen hier Billigmikroskopen das Wort geredet werden. Gute Instrumente sind leider nicht billig. Wer erst einmal der Mikroskopie verfallen ist, und über die notwendigen Mittel verfügt, wird früher oder später bei einem trinokularen Mikroskop eines namhaften  Herstellers landen, da diese Mikroskope viel bequemer zu handhaben sind. Außerdem sind sie vielseitig ausbaubar und können so steigenden Ansprüchen des Mikroskopikers angepaßt werden und ihn ein Leben lang begleiten.

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle.

Wie man mit verschiedenen Zuckern großartige Mikrokristalle züchten kann, und warum dafür etwas Geduld notwendig ist, wird das Thema des nächsten Blogbeitrags sein.

Bis dahin eine schöne Zeit.

H-D-S

Ein altes Mikroskop für Fotos im polarisierten Licht umrüsten

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

nicht jeder kann oder mag sich ein hochwertiges und teures Mikroskop leisten. Und vielleicht will man auch erst einmal probieren, ob das Mikroskopieren überhaupt Spaß macht.

Im Internet oder manchmal auch in Fotogeschäften werden immer wieder ältere Mikroskope, manchmal auch sehr namhafter Hersteller, oft preiswert, angeboten. So wurde das hier abgebildete Mikroskop für 50 EURO erworben.

Chinesisches Mikroskop

Chinesisches Mikroskop

 

Das Instrument stammt ungefähr aus dem Jahre 1976. Es wurde in der Volksrepublik China gebaut. Es ist ein durchaus hochwertiges Labormikroskop. Die optische Ausstattung besteht aus 3 Objektiven, 5x, 10x und 63x sowie 3 Okularen 5x, 10x und 15x.

Das Stativ ist sehr massiv und mit einem Grob- und Feintrieb ausgerüstet. Wie bei alten Mikroskopen üblich, erfolgt das Scharfstellen über die Bewegung des Tubus. (Moderne Mikroskope bewegen stattdessen den Objekttisch). Der Objekttisch ist ein Drehtisch, wie er normalerweise nur für professionelle Zwecke verwendet wird. Der Kreuztisch wurde vom Autor nachgerüstet,   für ca. 20 EURO über Amazon erworben und mit 2-Komponentenkleber auf den Drehtisch aufgeklebt.

Drehtisch

Modifizierter Drehtisch

Die Beleuchtungseinrichtung bestand ursprünglich aus einem Spiegel und dem Kondensator. Der Spiegel wurde durch eine elektrische Beleuchtung ersetzt:

Elektrische Beleuchtung

Elektrische Beleuchtung nachgerüstet

Die elektrische Beleuchtung läßt sich über einen Dimmer (Baumarkt) regeln. Der Kondensator ist mit einer Aperturblende und einem Filterhalter ausgerüstet. Dieser wurde abgeschraubt. Stattdessen wurde ein drehbares, lineares Polarisationsfilter mit 2-Komponentenkleber angeklebt. So etwas darf man natürlich nur machen, wenn man das Mikroskop ausschließlich als Polarisationsmikroskop benutzen will! Das Heliopan-Polfilter  ist auf dem obigen Foto gut zu erkennen. Darüber erkennt man auch den Hebel der Aperturblende.

Soweit die Umrüstung am Mikroskop. Eine leichte Digitalkamera kann man, wie in einem früheren Blogbeitag beschrieben, direkt über einen Adapter, an dem sich ein zweites Polfilter befinden muß, mit dem Tubus verbinden.

Das Scharfstellen über den Mikroskop-Tubus wird aber zum Problem, wenn man eine schwere Spiegelreflex-Kamera verwendet. Keinesfalls sollte man bei diesem Mikroskop-Typ versuchen, die Spiegelreflex-Kamera direkt mit dem Tubus zu verbinden. Das Scharfstellen wird praktisch unmöglich, weil wegen des hohen Gewichts der Kamera der Tubus nach unten gedrückt wird.

Wie man mit einfachen Mitteln eine Spiegelreflex-Kamera an ein Mikroskop auch alten Typs adaptieren kann, wird das Thema meines nächsten Beitags sein.

Bis dahin, liebe Freunde der Mikrokristalle, wünsche ich eine gute Zeit.

H-D-S

 

 

Coffein-Mikrokristalle aus Kaffee isolieren

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

wie kann man Coffein-Mikroristalle aus Kaffee gewinnen?

Ein geeignetes Verfahren ist die Mikrosublimation. Die meisten organischen chemischen Stoffe, mit denen wir es zu tun haben, besitzen einen Schmelzpunkt. Bei einer ganz bestimmten Temperatur gehen sie vom festen Zustand in den flüssigen über und umgekehrt. Wasser als Beispiel ist unter null Grad fest, oberhalb dieser Temperatur wird es flüssig und verdampft schließlich bei hundert Grad Celsius unter Normaldruck.

Es gibt aber chemische Verbindungen, die ein anderes Verhalten zeigen. Beim Erhitzen gehen sie vom festen Zustand  direkt in den gasförmigen über, sie überspringen also den flüssigen Aggregatzustand. Kühlt man sie wieder ab, werden sie direkt wieder fest, statt zunächst flüssig.

Ein derartiges Verhalten zeigt das Coffein, der belebende Stoff im Kaffee und im Tee. Man nennt dieses Verhalten Sublimation.

Coffein

Coffein

Coffein beginnt bei 178 Grad C zu sublimieren. Diese Eigenschaft des Coffeins kan man nutzen, Coffein aus Kaffeepulver zu isolieren. Die prinzipielle Idee zu der Versuchsanordnung wurde dem wunderbaren Buch „Das große Kosmos-Buch der Mikroskopie“ von Bruno P. Kremer entnommen:

Eine Messerspitze Kaffeepulver wird auf ein kleines Stück Aluminiumfolie 2 x 2 cm gegeben und auf einer Herdplatte platziert. Darüber kommt ein Objektträger, der durch 2 Distanzstücke (z.B. kleine Fliesenstücke) vom Kaffeepulver getrennt ist. Es sollte ein Freiraum von ca. 5 mm vorhanden sein. Auf den Objektträger gibt man vorsichtig einige Tröpfchen Wasser zur Kühlung.

Versuchsaufbau

Versuchsaufbau zur Mikrokristallisation von Coffein aus Kaffee

Dann wird die Heizplatte auf kleiner Stufe erhitzt. Das Coffein beginnt bei 178 Grad Celsius zu sublimieren und schlägt sich auf der unteren Seite des Objektträgers nieder. Sobald der Objektträger  leicht trüb wird, die ganze Versuchsanordnung vorsichtig von der Heizplatte herunterschieben oder den Objektträger mit einer Pinzette herunternehmen. (Vorsicht, man kann sich leicht die Finger verbrennen). Unter dem Mikroskop im polarisierten Licht sieht man die schönen Mikrokristallnadeln des Coffeins.

Coffein

Coffein, gewonnen durch Mikrosublimation aus Kaffee

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle. Im nächsten Beitrag geht es um die Frage, wie man ein altes Mikroskop für Mikroaufnahmen im polarisierten Licht fit machen kann. Als Beispiel dient ein chinesisches Labormikroskop das einen schon etwas musealen Charakter hat.

Bis dahin wünsche ich eine schöne Zeit.

H-D-S

Kristalle aus der Schmelze und aus Lösungen am Beispiel Acetylsalicylsäure

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

Kristallisieren aus der Schmelze oder aus einer Lösung, das ist hier die Frage. Das kann man natürlich pauschal nicht beantworten. Es hängt von der Substanz ab. Mal geht das Eine, mal das Andere, mal geht Beides.

Acetylsalicylsäure, besser bekannt unter dem Handelsname Aspirin der Firma Bayer, liefert sowohl aus der Schmelze als auch aus Lösungen schöne Kristalle. Diese Substanz soll für einen Vergleich dienen:

ASS

Acetylsalicylsäure ASS

 

Kristallisieren aus einer Schmelze durch Erhitzen einer Substanz auf dem Objektträger bis zum Schmelzen funktioniert nur, wenn die Substanz einen Schmelzpunkt besitzt, bei dem sie sich nicht zersetzt und der auch nicht zu hoch liegt. Manche chemischen Substanzen zersetzen sich leider am Schmelzpunkt oder sie besitzen überhaupt keinen Schmelzpunkt und sublimieren. (Sublimation wird das Thema des nächsten Blogs sein).

Kristallisieren aus der Schmelze hat den Vorteil, daß es ohne großen Aufwand funktioniert. Man gibt ein paar Kristalle auf einen sauberen Objektträger und legt ihn auf eine Heizplatte. (Herdplatte).  Auf kleinster Stufe wird aufgeheizt, bis die Substanz zu schmelzen beginnt, dann sofort von der Heizplatte nehmen. (Mit einer Gabel von der Heizplatte schieben). Meist setzt dann beim Abkühlen die Kristallisation sofort ein. Es gibt aber auch Substanzen, die kristallisieren nur langsam, einige benötigen Tage, aber das sind Ausnahmen.

Acetylsalicylsäure ist ein Grenzfall für die Kristallisation aus der Schmelze, da diese Substanz bei 136 Grad C schmilzt aber sich schon bei 140 Grad C zu zersetzen beginnt. Man muss also erstens vorsichtig aufheizen und zweitens die Schmelze sofort abkühlen lassen.

Zunächst benötigt man aber die reine Acetylsalicylsäure. Als chemische Substanz, die ja bekanntlich ein Medikament ist, wird sie der Apotheker nicht verkaufen. Kein Problem, man kann sie sehr leicht aus einer Tablette isolieren.

Benötigt werden zwei 50 ml Bechergläser,  Schnapsgläser oder ähnliche Glas- oder Keramikgefäße tun es zur Not auch, ein kleiner Filtertichter, ein Kaffeefilterpapier, ein Glasstab (oder Teelöffel) und ca. 7 ml Spiritus. ( entspricht ca. 1/4 Schnapsglas).

Aus dem Kaffeefilterpapier ein rundes Filter schneiden. Das runde Filter 2 mal falten, so daß eine Tüte entsteht. Die Filtertüte in den Trichter setzen und mit Spiritus anfeuchten, so daß sie am Trichter anliegt.

Eine Tablette Aspirin 500 mg oder ASS Ratiopharm 500 mg in ein 50 ml Becherglas geben und ca. 7 ml Spiritus zusetzen. Im Wasserbad bis fast zum Sieden erhitzen, unbedingt mit einem Glasstab oder Teelöffel ständig rühren, da die Lösung zum Stoßen (Herausspritzen) neigt. Schutzbrille tragen. Die Tablette beginnt zu zerfallen. Sobald die Tablette vollständig zerfallen (nicht aufgelöst) ist, in das zweite Becherglas filtrieren. Die Flüssigkeit dabei am Glasstab oder Teelöffel auf das Filter laufen lassen. Aufpassen, das Filter darf nur zu etwa 2/3 gefüllt werden. Man erhält so ein klares Filtrat.

Von diesem Filtrat kann man einen Tropfen auf einen Objektträger geben und an einen staubfreien Ort stellen. Der Spiritus verdampft langsam und die Acetylsalicylsäure kristallisiert aus. Sie ergibt unter dem Mikroskop schon ansehnliche Bilder.

Acetylsalicylsäure

ASS, kristallisiert aus Spiritus

Die Flüssigkeit im Becherglas an einem staubfreien Ort offen stehen lassen. Je nach Temperatur ist der Spiritus nach ca. 12 – 24 Stunden weitgehend verdampft und die Acetylsalicylsäure ist auskristallisiert. Bevor das Lösungsmittel vollständig verdampft ist, die Kristalle auf einem Kaffeefilter sammeln und trocknen lassen. Dann in ein kleines Fläschchen geben. Auf diese Weise hat man die reine Acetylsalicylsäure gewonnen.

Jetzt kann man einige wenige Kristalle, wie oben beschrieben, aufschmelzen.

Acetylsalicylsäure

ASS kristallisiert aus einer Schmelze

 

Man erkennt deutlich den Unterschied. Meist sind die Mikrokristalle, die aus einer Lösung heraus kristallisieren, strukturierter und auch als Kristalle besser zu erkennen. Aus Schmelzen entstehen manchmal aber farblich besonders interessante Bilder. Es lohnt sich immer, etwas zu experimentieren.

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle. Der nächste Beitrag hat die Sublimation am Beispiel des Coffeins zum Thema, eine spannende Sache.

Bis dahin wünsche ich eine schöne Zeit.

H-D-S

 

Vitamin C ein Star unter den Mikrokristallen

Hallo Freunde der Mikrokristalle,

Vitamin C, auch als Ascorbinsäure bekannt, ist wahrhaftig ein Star unter den Mikrokristallen. Mit kaum einer anderen Substanz lassen sich ohne großen Aufwand so prächtige und variantenreiche Bilder unter dem Mikroskop im polarisierten Licht erzeugen.

Auch die Ascorbinsäure gehört in die Gruppe der optisch aktiven Verbindungen, weist sie doch 2 Asymmetriezentren auf:

Vitamin C

Vitamin C, die gestrichelten Linien beschreiben die räumliche Anordnung der Liganden

Bedingt durch die 2 Asymmetriezentren, existieren 4 stereoisomere Formen des Moleküls. Nur eine, die L-(+)-Ascorbinsäure besitzt eine physiologische Wirkung, sie ist die in der Natur vorkommende Variante. Um einem weit verbreiteten Missverständnis vorzubeugen: Synthetisch hergestelltes Vitamin C ist völlig identisch mit natürlichem! Ascorbinsäure ist ein lebensnotwendiges Vitamin, sein Mangel führt zu schweren Erkrankungen. Seefahrer zur Zeit der Segelschiffe litten bei langen Seereisen häufig unter dem Mangel an Vitamin C und erkrankten an der Scorbut. Von dieser Krankheit abgeleitet ist auch der Name Ascorbinsäure, Anti-Scorbut. Säure, weil das Vitamin C stark sauer schmeckt.

Man kann Vitamin C in Apotheken und Supermärkten preiswert kaufen. Aber aufgepaßt: Es muß reines Vitamin C sein.  Manche Produkte enthalten Zusatzstoffe. Im Zweifelsfalle Ascorbinsäure lieber in der Apotheke kaufen!

Ascorbinsäure ist gut löslich in Wasser und Spiritus. Man löst ca. 0,4 g in 5 ml Wasser oder Spiritus, bei Spiritus muss man etwas im Wasserbad erwärmen, oder man verwendet eine Mischung aus 2 ml Wassen und 2 ml Spiritus. Diese Mischung führt auch zu schönen Kristallen. Man gibt einen Tropfen der Lösung auf einen sauberen Objektträger und läßt ihn an einem staubfreien Ort eintrocknen.

Mit Ascorbinsäure kann man keine Kristalle aus der Schmelze erzeugen, da die Verbindung nur unter Zersetzung schmilzt.

Unter dem Mikroskop mit Polarisationsfiltern findet man wunderschöne, farbige Kristalle. Es lohnt sich, mit dem Polarisator etwas zu spielen, weil dabei manchmal sehr überraschende Farbeffekte auftreten.

Die folgenden Aufnahmen wurden aus einer ethanolischen Lösung (Spiritus) gemacht:

Vitamin C

Vitamin C, kristallisiert aus Spiritus

Vitamin C

Vitamin C kristallisiert aus Spiritus

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle.

Der nächste Beitrag zeigt einen Vergleich von Kristallen aus Lösungen und aus Schmelzen am Beispiel des Aspirins (Acetylsalicylsäure).

Bis dahin eine schöne Zeit.

H-D-S

 

Ibuprofen aus einer Tablette isolieren

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

Ibuprofen ist der Wirkstoff zahlreicher Schmerzmittel. Auch Ibuprofen besitzt ein asymmetrisches Kohlenstoffatom und ist somit optisch aktiv. Nur die rechtsdrehende Verbindung ist physiologisch wirksam. Daran erkennt man, wie bedeutend die räumliche Struktur einer chemischen Verbindung in der Natur ist.

Ibuprofen

Das asymmetrische Kohlenstoffatom ist mit dem * gekennzeichnet

In Tabletten liegt Ibuprofen als Racemat vor und kann leicht isoliert werden. Der Wirkstoff ist gut löslich in kaltem Spiritus, die übrigen Tablettenbestandteile aber nicht. Darauf beruht die folgenden Prozedur zur Isolierung des Wirkstoffes:

Man zerstößt eine Tablette in einem Mörser zu einem feinen Pulver. Alternativ kann man die Tablette auch zwischen Papier legen und mit einem Hammer vorsichtig fein zerklopfen. In einem 50 ml Becherglas wird das Pulver mit 5ml Spiritus gut verrührt. Die unlöslichen Bestandteile müssen abfiltriert werden. Als Filterpapier kann man ein gewöhnliches Kaffeefilter verwenden, aus dem man kreisrunde Filter schneidet, Durchmesser ca. 5 cm (passen dann zu einem Filtertrichter mit Durchmesser ca. 4 cm oberer Rand). Das Filter wird 2 mal gefaltet. Die so entstandene Filtertüte in den Trichter setzen und mit Spiritus anfeuchten, damit die Tüte gut am Trichter anliegt. Jetzt in ein zweites Becherglas filtrieren. Man läßt die Flüssigkeit am Rande eines Glasstabs oder eines Kaffeelöffels in den Trichter laufen, dabei aufpassen, daß das Filter nicht bis zum Rand gefüllt wird. Sollte das Filtrat nicht ganz klar sein, nochmals durch das gleiche Filter filtrieren. Man benötigt etwas Geduld.

Von dem jetzt weitgehend klaren Filtrat einen Tropfen auf einen Objektträger geben und an einem staubfreien Ort eintrocknen lassen. Die Kristallisation setzt meist, aber leider nicht immer, schnell ein. Manchmal erhält man nur einen öligen Belag wenn der Spiritus verdunstet ist. Oft sind die Kristalle völlig unspektakulär, wie das folgende Bild zeigt:

Ibuprofen aus alkoholischer Lösung

Ibuprofen aus Spiritus kristallisiert

In solchen Fällen, oder wenn keine schönen Mikrokristalle entstanden sind, 1 ml dest. Wasser in das Becherglas mit der Ibuprofen-Lösung geben, beim Rühren verschwindet die anfängliche Trübung. Diese Lösung an einem staubfreien Ort stehenlassen. Der Spiritus beginnt langsam zu verdunsten und da Ibuprofen in Wasser unlöslich ist, bilden sich langsam sehr schöne Kristalle. Wenn die Flüssigkeit weitgehend verdunstet ist, die Kristalle auf ein Stück Filterpapier ausbreiten und trocknen. Dann in ein Glas oder eine kleine Plastiktüte füllen. Diese Ibuprofen-Kristalle kann man für weitere Versuche sehr gut verwenden.

Man kann z.B. einige Kristalle auf einen Objektträger geben und einen Tropfen Isopropanol zufügen. (Isopropanol ist in vielen Fällen besser geeignet als Spiritus, man bekommt ihn in der Apotheke). Die Kristalle lösen sich und während das Lösungsmittel verdunstet entstehen neue Mikrokristalle. Dauer ca. eine Stunde. Das folgenden Bild ist so entstanden:

Ibuprofen

Ibuprofen, kristallisiert aus Isopropanol

Nicht immer erhält man sofort schöne Mikrokristalle. Oft muß man mit dem Lösungsmittel oder mit Lösungsmittel/Wasser-Mischungen experimentieren um ansprechende Mikrokristalle zu erhalten. Darin liegt aber auch ein besonderer Reiz.

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle. Gegenstand des nächsten Beitrags ist ein Star unter den Mikrokristallen, das Vitamin C.

Bis dahin eine gute Zeit.

H-D-S

Optische Aktivität am Beispiel der Weinsäure

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle.

Für die bunten Farben, die wir beim Betrachten der Mikrokristalle im polarisierten Licht sehen, spielt die optische Aktivität bestimmter chemischer Stoffe eine gewisse aber nicht entscheidende Rolle. Viele optisch aktive Verbindungen, wie die Weinsäure, ergeben sehr schöne, farbige Kristalle unter dem Mikroskop im polarisierten Licht.

Wenn man Licht durch ein Polarisationsfilter fallen läßt, erhält man linear polarisiertes Licht, also Licht, das nur in einer Ebene schwingt. Fällt dieses polarisierte Licht durch bestimmte chemische Verbindungen, z.B. durch eine Lösung von Weinsäure, so vermag diese, die Schwingungsebene zu drehen. Manche chemische Verbindungen drehen die Ebene nach links, andere drehen sie nach rechts. Stoffe, die diese Eigenschaft besitzen, nennt man optisch aktiv.

Gemeinsames Merkmal optisch aktiver chemischer Verbindungen ist die Chiralität, zu deutsch, Händigkeit. Betrachtet man rechte und linke Hand, so gleichen sie einander, sind aber nicht identisch. Sie verhalten sich wie Bild und Spiegelbild und können durch Drehung nicht zur Deckung gebracht werden. Manche chemische Verbindungen zeigen bei räumlicher Betrachtung ein ähnliches Verhalten.

Befinden sich an einem Kohlenstoffatom eines Moleküls vier verschiedene Liganden (= Atome oder Atomgruppen) und man betrachtet es als Raummodell, bei dem die Liganden an den Ecken eines Tetraeders sitzen, in dessen Mitte das Kohlenstoffatom angeordnet ist, so gibt es von einem derartigen Modell ebenfalls zwei Formen, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten. Man nennt sie optische Antipoden. Das Kohlenstoffatom an dem die vier unterschiedlichen Atome oder Atomgruppen sitzen, heißt asymmetrisches Kohlenstoffatom Alle chemischen Verbindungen die mindestens ein asymmetrisches Kohlenstoffatom besitzen, sind optisch aktiv. Von ihnen existiert immer ein linksdrehendes und ein rechtsdrehendes Molekül.

Chemische Verbindungen können auch mehrere asymmetrische Kohlenstoffatome besitzen. Hierzu gehört die Weinsäure. Im folgenden Bild sind die asymmetrischen Kohlenstoffatome mit Sternchen gekennzeichnet:

Weinsäure. Die mit Sternchen gekennzeichneten C-Atome sind asymmetrisch, da sie 4 verschiedene Liganden besitzen.

Weinsäure. Die mit Sternchen gekennzeichneten C-Atome sind asymmetrisch, da sie 4 verschiedene Liganden besitzen.

Jedes der beiden mit dem Stern gekennzeichneten Kohlenstoffatome besitzt 4 unterschiedliche Liganden (= Atome oder Atomgruppen).

Die Nomenklatur zweier Optischer Antipoden erfolgt auf Grund ihrer optischen Aktivität: Dem gleichen Grundnamen werden die Zeichen (+) für für die rechts- und (-) für die linksdrehende Verbindung vorangesetzt, so daß Namen wie (+)-Weinsäure und (-)-Weinsäure entstehen. Früher wurden wurden  die Präfixe D- (von lat. dexter = rechts) und L- (von lat. laevum = links) verwendet. Heute werden diese Präfixe aber zur Kennzeichnung der absoluten Konfiguration der Verbindungen, vorwiegend in der Biochemie benutzt. Ein neueres System ist die R-S-Nomenklatur. Mit absoluter Konfiguration ist die exakte räumliche Anordnung der Liganden gemeint. Darauf kann hier nicht näher eingegangen werden. Nur soviel: Die rechtsdrehende Weinsäure wird  nach der D,L-Nomenklatur zu D(+)-Weinsäure, entsprechend die linksdrehende zu L(-)-Weinsäure. Besitzt eine chemische Verbindung den Typus der D-Weinsäure, erhält auch sie das Präfix D. Beispiel:  D(-)-Milchsäure. Diese Milchsäure ist also linksdrehend und entspricht dem Typus (räumliche Anordnung) der D-Weinsäure.

Da Weinsäure 2 chirale (= asymmetrische) Zentren besitzt, existiert neben den beiden vorgenannten Weinsäuren noch eine weitere Variante, bei der das eine chirale Zentrum rechtsdrehend, das andere linksdrehende ist. Die Drehungen heben sich gegenseitig auf, so daß diese Weinsäure, die Mesoweinsäure genannt wird, nicht optisch aktiv ist.

Bei gleichen Teilen an linksdrehender und rechtsdrehender Weinsäure hebt sich die optische Aktivität ebenfalls auf. Solche Mischungen werden Racemat genannt. Bei der Weinsäure nennt man die Mischung Traubensäure.

Weinsäure die man in der Apotheke kauft ist meist das Racemat, also Traubensäure.

Die optische Aktivität chemischer Verbindungen spielt in biochemischen Vorgängen eine außerordentliche Rolle. Ein bekanntes Mittel gegen Kopfschmerzen ist der Wirkstoff Ibuprofen. Dieser Wirkstoff liegt in vielen Tabletten als Racemat vor. Nur der rechtsdrehende Teil des Medikaments ist wirksam  gegen Kopfschmerzen, der linksdrehende hingegen nicht.

Mit Ibuprofen kann man interessante Mikrokristalle züchten.

Das liebe Freunde der Mikrokristalle wird das Thema meines nächsten Beitrags sein.

Bis dahin eine gute Zeit.

H-D-S

Mikrokristalle aus Weinsäure

Hallo Freunde der Mikrokristalle,

Mikrokristalle aus Weinsäure ergeben sehr schöne Bilder. Weinsäure kann man ohne Probleme in fast jeder Apotheke für wenig Geld kaufen. 10 Gramm reichen für viele Experimente. Man kann folgendermaßen vorgehen:

In ein kleines 50 ml Becherglas werden

1/4 Teelöffel Weinsäure gegeben und durch Zufügen von ca.

5 ml  Brennspiritus unter Rühren gelöst. Bei groben Kristallen kann der Lösungsvorgang durch Erwärmen im Wasserbad beschleunigt werden.

Von der Lösung gibt man

1 Tropfen z.B. mit einem Glasstab oder einer Pipette auf einen sauberen Objektträger.

Den Objektträger (ohne Deckglas) stellt man an einen staubfreien Ort, z.B. in eine durchsichtige Plastikschachtel oder man formt aus Papier ein kleines Dach und stellt ihn darunter. Die Kristallisation beginnt ziemlich spontan. Man wartet ca. eine Stunde und betrachtet dann das Ergebnis unter dem Mikroskop.

Hier kurz eingefügt einige Stichworte für Anfänger in der Mikroskopie, die ein Schülermikroskop benutzen:

Auf oder unter dem Objekttisch muß eine Polarisationsfilterfolie angebracht sein. Ein zweites Polarisationsfilter muß sich vor dem Okular befinden. Man kann einfach ein Stück Polarisationsfilterfolie auf das Okular legen.

Man benötigt eine Lichtquelle, modernere Schülermikroskope haben bereits eine eingebaute Beleuchtung. Sonst kann man Tageslicht oder eine gewöhnliche Schreibtischlampe verwenden und über Einstellung des Spiegels das Licht durch das Objekt lenken. LEDs sind ungeeignet.

Den Objekttisch herunterfahren und den Objektträger mittels Klemmen auf dem Objekttisch fixieren. Am Objektivrevolver die kleinste Vergrößerung wählen. Ganz wichtig: Jetzt vorsichtig den Objekttisch hochfahren soweit es geht, dabei darf das Objektiv aber keinesfalls den Objektträger mit den Kristallen berühren! Dann das Licht einschalten oder mittels Spiegelverstellung das Licht so lenken, daß es gleichmäßig durch das Objekt fällt. Jetzt den Objekttisch langsam herunterfahren, bis das Bild scharf ist. Dann das obere Polarisationsfilter so drehen, daß der Hintergrund des Bildes schwarz erscheint.

Wenn man Glück hat, sieht man bei 50 – 100 facher Vergrößerung wunderschöne farbige Kristalle. Das Resultat kann aber auch sehr enttäuschend sein! Statt farbiger Kristalle sieht man nur eine graue Masse kleiner Kristalle.

Das folgende Foto zeigt ein Beispiel:

Weinsäure aus Spiritus kristallisiert

Weinsäure aus Spiritus kristallisiert

Die gleiche Lösung wurde mit ca.
5 ml destilliertem Wasser verdünnt. Erneut wurde ein Tropfen ohne Deckglas auf einen Objektträger gegeben und an einen staubfreien Ort gestellt. Nach Stehen über Nacht war jetzt das folgende Bild entstanden:

Weinsäure

Weinsäure aus Wasser/Spiritus 1:1 kristallisiert

Wie man sieht, es ist ein völlig anderes Bild. Die Parameter Lösungsmittel, Konzentration und Temperatur haben einen sehr starken Einfluß auf die Kristallisation. Verwendet man reinen Spiritus als Lösungsmittel, verteilt sich ein Tropfen sehr breit auf dem Objektträger. Umgekehrt, reines Wasser verteilt sich praktisch garnicht. Daher ist oft, aber keinesfalls immer, eine Mischung aus destilliertem Wasser und Spiritus günstiger, als die Verwendung reiner Lösungsmittel. Aber man muß natürlich zunächst ermitteln, worin ein Stoff überhaupt löslich ist. Informationen darüber findet man z.B. bei Wikipedia.

Es gibt noch eine ganz andere Methode, schöne Mikrokristalle zu erhalten. Das ist das Kristallisieren aus der Schmelze. Hierzu eignet sich Weinsäure aber nur bedingt, weil sie sich beim Erhitzen chemisch verändert. Man muß also behutsam vorgehen:

Auf einen Objektträger werden einige Kristalle Weinsäure gegeben. Etwa 5 -10 kleine Kristalle reichen vollkommen. Diese werden mit einem Deckglas abgedeckt. Den Objektträger auf einer Herdplatte bei niedrigster Stufe erwärmen. Sobald die Weinsäure geschmolzen ist, den Objektträger sofort von der Platte nehmen. Manche Stoffe kristallisieren beim Abkühlen spontan, Weinsäure meist nicht. Manchmal muß man mehrere Tage warten, bis sich, meist vom Rand her, Kristalle bilden. Die sind aber oft spektakulär. Hier ein Beispiel:

Weinsäure

Weinsäure kristallisiert aus einer Schmelze

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle. Für chemisch interessierte gibt es im nächsten Beitrag Informationen über optische Aktivität und über die verschiedenen Strukturen der Weinsäure.

Bis dahin eine Gute Zeit.

H-D-S

Woher bekommt man Chemikalien für Mikrokristalle und wie geht man damit um ?

Der Umgang mit Chemikalien erfordert höchste Sorgfalt und Vorsicht. Die Ratschläge und Hinweise des Autors erfolgen nach bestem Wissen. Dennoch übernimmt der Autor in keinem Fall für die Richtigkeit der Angaben, Hinweise und Ratschläge irgendeine Haftung!

Die Beschaffung von Chemikalien, auch in kleinen Mengen, ist vom Gesetzgeber, aus guten Gründen,  erheblich eingeschränkt worden. Der Chemikalienhandel verkauft heute nur noch an Selbständige, die einen Sachkundenachweis erbringen können, chemische Produkte.

Zum Glück gibt es schon in der Küche Substanzen wie Haushaltszucker und Traubenzucker, die für die Mikrokristallisation geeignet sind. In kleinen Mengen bekommt man auch in der Apotheke Substanzen wie Weinsäure, Zitronensäure und Vitamin C, die alle ganz hervorragende Kristalle bilden. (Man benötigt nicht mehr als jeweils 10 Gramm). Aus manchen Medikamenten wie z.B. Aspirin kann man mit recht einfachen Mitteln den Wirkstoff isolieren und fantastische Fotos damit machen.

Zwei Lösungsmittel werden benötigt, Wasser und Ethanol.

Leitungswasser ist völlig ungeeignet. In Drogeriemärkten und Apotheken erhält man für wenig Geld destilliertes Wasser. Destilliertes Wasser ist frei von Salzen, die den Kristallisationsprozess stören würden.

Ethanol ist die chemische Bezeichnung für Brennspiritus. Den bekommt man in Lebensmittelmärkten und Drogerieketten, ebenfalls für wenig Geld. Brennspiritus ist eine leicht entzündliche, brennbare Flüssigkeit, die bei 78 Grad Celsius siedet.

Mit Brennspiritus darf niemals in der Nähe von offenem Feuer gearbeitet werden. Er darf auch unter keinen Umständen mit offener Flamme wie einer Kerze oder Ähnlichem erwärmt werden. Das ist absolut verboten!

Flüssigkeiten dürfen nur in feuerfesten Glasgefäßen erwärmt werden, sonst besteht die Gefahr daß sie beim Erhitzen springen.

Wenn man Flüssigkeiten, auch Wasser, erhitzt, unbedingt Schutzbrille tragen und die Flüssigkeit ständig mit einem Glasstab oder Ähnlichem umrühren, da es beim Erhitzen zu sogenannten Siedeverzügen kommen kann. Die Flüssigkeit verdampft dabei schlagartig und spritzt im hohen Bogen zum Gefäß heraus, das passiert meist kurz vor Siedebeginn!

Gute Praxis ist es, Flüssigkeiten im Wasserbad zu erhitzen. Man füllt in einen Topf Wasser, stellt das zu erhitzende Gefäß in das Wasserbad und erwärmt den Topf  auf nichtoffener Flamme. Das funktioniert sehr gut, man sollte garnicht anders arbeiten.

Wenn auch keine giftigen Chemikalien zum Einsatzt kommen, Sauberkeit beim Arbeiten ist oberstes Gebot, besonders wenn man in der Küche tätig ist. Spiritus ist, weil steuerlich begünstigt, denaturiert. Man hat dem Spiritus in sehr geringer Menge einen Stoff zugesetzt, der extrem bitter schmeckt. Panscht man mit Spiritus in der Küche herum, kann das sehr unangenehme Folgen haben.

Was man an Gerätschaften benötigt, zeigt das folgende Bild:

Zubehör zum Züchten von Mikrokristallen

Zubehör zum Züchten von Mikrokristallen

Man benötigt 1 – 3 kleine Bechergläser zu 50 ml (Milliliter = qcm), 1 Glastrichter, (Durchmesser ca. 3-5 cm) 1 -3 Glasstäbe ca. 15 cm lang, 1 Pipette, 1 Spatel oder kleinen Löffel, Objektträger, Deckgläser.

Man bekommt all diese Dinge preiswert u.a. bei Amazon.

Nicht nur für Schüler: Es ist gute Praxis, über jeden Kristallisationsversuch ein Protokoll zu schreiben. Man sollte sich auch für die Fotos ein System der Aufbewahrung ausdenken. Im digitalen Zeitalter sind schnell eine Fülle von Fotos gemacht und schon bald kann man sie ohne Protokoll und systematischer Aufbewahrung nicht mehr zuordnen.

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle, im nächsten Beitrag ist Weinsäure die erste Substanz für herrlich farbige und formenreiche Mikrofotos.

Bis dahin eine gute Zeit.

H-D-S