Lineares Polarisationsfilter und λ/4-Plättchen I.

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

wie funktioniert ein λ/4-Plättchen in Kombination mit einem linearen Polarisationsfilter?.

In meinem letzten Blogbeitrag hatte ich Fotos mit dieser Filterkombination gezeigt und erwähnt, daß aus einem linearen Polarisationsfilter ein zirkulares wird, wenn man es mit einem λ/4-Plättchen kombiniert. Um zu beschreiben, was da passiert, müssen wir uns das Phänomen der Polarisation etwas näher anschauen. Da mein Blog von einer sehr breiten Leserschaft gelesen wird, möchte ich auch einige Begriffe erläutern, die physikalisch bewanderten Lesers natürlich vertraut  sind, manchem Leser aber nicht so sehr. Das Thema teile ich wegen des Umfangs in 2 Blogbeiträge auf.

Was Licht genau ist, kann niemand erschöpfend beantworten. Das ist schon einmal tröstlich. Lange hatte man sich Licht als Strahlen vorgestellt. Für die Berechnung von Linsen war und ist dieses Modell sehr dienlich. Manche physikalischen Eigenschaften des Lichts konnten  aber nicht mit dem Strahlenmodell erklärt werden. Dazu gehörte die Polarisation. Die Physiker ersannen daher ein anderes Modell für Licht, das Wellenmodell.  Damit ließ sich auch die Polarisation gut beschreiben.

Stellen wir uns vor, wir hätten einen Lattenzaun mit horizontal angeordneten Latten mit  Zwischenräumen. Durch einen der Zwischenräume spannen wir ein Seil, das wir an einer Wand hinter dem Lattenzaun befestigen. Das andere Ende regen wir an, indem wir es relativ schnell horizontal bewegen. Es entsteht eine horizontal schwingende Welle, die ungehindert den Lattenzaun passieren kann. Würden wir versuchen, das Seil vertikal zum Schwingen zu bringen, könnten die erzeugten Wellen den Zaun nicht passieren. Drehen wir den Lattenzaun aber um 90º, können nun die vertikal schwingenden Seilwellen den Zaun passieren.

Hier eine Skizze dazu:

Skizze einer horizontal und einer vertikal schwingenden Welle

Lichtwellen, wie sie z.B. von der Sonne kommen, führen sinusförmige Schwingen in alle möglichen Richtungen aus. Die in der Skizze dargestellten senkrechten und horizontalen Schwingungen sind also nur ein Ausschnitt aus dem gesamten  Schwingungsspektrum. Filtert man  aus den vielen Schwingungsebenen des natürlichen Lichts eine Schwingungsebene heraus, so spricht man von Polarisation. Die dazu verwendeten Filter nennen wir lineare Polarisationsfilter. Die Schwingungen der Wellen verlaufen rechtwinklig zur Ausbreitungsrichtung. Solche Wellen werden Transversal-Wellen genannt.

Soweit so gut. Was passiert aber, wenn man zwei Polarisationsfilter übereinander legt?  Besitzen beide Filter die gleiche Orientierung, besitzen also die Latten unserer Lattenzäune beide die genau gleiche Orientierung, so können wir erwarten, daß das in ersten Filter polarisierte Licht mit maximaler Intensität das zweite Polarisationsfilter passiert. Drehen wir eines der Filter um 90 ° so „kreuzen sich die Latten“ und sperren das Licht vollständig, die Intensität ist dann Null. Aber was passiert dazwischen?

Hierzu habe ich den folgenden Versuch durchgeführt: Auf ein Smartphone habe ich das Bild eines Winkelmessers geladen. Darüber habe ich eine Polarisationsfilterfolie gelegt, um polarisiertes Licht einer bestimmten Ebene zu erzeugen. (Prinzipiell ist das eigentlich nicht notwendig, denn das von einem Smartphone abgestrahlte Licht ist bereits polarisiert. Es hatte aber nicht die Schwingungsebene die ich wollte. Daher also die  Polarisationsfilterfolie). Über die Folie habe ich ein zweites Polarisationsfilter in Form eines zurecht geschnittenen Zeigers gelegt.

Und so sieht das Ganze im Ausschnitt aus: Der Zeiger steht auf 0º, beide Polarisationsfolien besitzen die gleiche Orientierung. Wir haben die maximale Intensität des passierenden Lichts. (Die leichte Abdunklung ist auf Absorptionsvorgänge der Folien zurückzuführen).

Winkel Null Grad

Winkel 0 Grad. Beide Polarisationsfilter besitzen die gleiche Orientierung. Maximale Intensität.

Im Weiteren habe ich den Zeiger um jeweils ca. 10º gedreht, man beachte die  Veränderung der Intensität:

 

Intensität des Lichts bei ca. 10 Grad.

Intensität des Lichts bei ca. 10 Grad Drehung.

 

Intensität des Lichts bei ca. 20 Grad Verschiebung.

Intensität des Lichts bei ca. 20 Grad Drehung.

 

Intensität des Lichts bei ca. 20 Grad Verschiebung.

Intensität des Lichts bei ca. 30 Grad Drehung.

 

Intensität des Lichts bei ca. 40 Grad Drehung

Intensität des Lichts bei ca. 40 Grad Drehung.

 

Intensität des Lichts bei ca. 50 Grad Drehung.

Intensität des Lichts bei ca. 50 Grad Drehung.

 

Intensität des Lichts bei ca. 60 Grad Drehung.

Intensität des Lichts bei ca. 60 Grad Drehung.

 

Intensität des Lichts bei ca. 70 Grad Drehung.

Intensität des Lichts bei ca. 70 Grad Drehung.

 

Intensität des Lichts bei ca. 80 Grad Drehung.

Intensität des Lichts bei ca. 80 Grad Drehung.

 

Intensität des Lichts bei ca. 90 Grad Drehung.

Intensität des Lichts bei ca. 90 Grad Drehung.

 

Im letzten Bild sind die Filter genau gekreuzt, kein Licht geht mehr hindurch, die Intensität ist Null. Welche Erkenntnisse kann man aus dem Experiment ziehen?

Bei der Betrachtung der Aufnahmen fällt auf, daß die Abnahme der Intensität nicht linear verläuft. Es geht langsam los und steigert sich dann sehr schnell. Und offensichtlich ist, daß der Winkel um den man eine Folie dreht, dabei von ausschlaggebender Bedeutung ist.

Bei einer sinusförmig schwingenden Licht-Welle ist die Amplitude, also die maximale Auslenkung,  ein Maß für die Intensität des Lichts.

Sinusförmig schwingende Lichtwelle.

Sinusförmig schwingende Lichtwelle.

 

I = (Amplitude)² (1)

Man muss die Amplitude ins Quadrat setzen, da ihr Maximum sowohl positiv also auch negativ sein kann, wie die Grafik zeigt. Das Quadrat ist aber immer positiv. Der Amplitude kann der Zahlenwert der Auslenkung zugeordnet werden.  Sie besitzt aber auch eine Richtung, das ist der Ebenenwinkel, in der die Welle  schwingt. Damit ist die Amplitude einer Welle ein Vektor.

Ein kleiner Einschub: Es gibt im Wesentlichen zwei Arten physikalischer Größen, Skalare und Vektoren. Beispiel für eine skalare physikalische Größe: Der Temperatur in einem Raum, sagen wir 20º C kann man keine Richtung zuordnen. Die Richtung spielt für eine Temperaturangabe keine Rolle. Daher ist die Temperatur eine skalare Größe, die auf der Temperaturskala liegt. Beispiel für eine vektorielle physikalische Größe: Um einen Handwagen in eine bestimmte Richtung zu ziehen, benötigen wir eine Kraft. Diese Kraft hat einen bestimmten Betrag. Dazu gehört aber auch eine Richtung. Üben wir die Kraft in eine falsche Richtung aus, kommen wir nicht ans Ziel. Daher setzt sich die Kraft die auf den Wagen ausgeübt wird aus einem Betrag und einer Richtung zusammen. Solche Größen werden  Vektoren genannt. Vektoren werden grafisch durch einen Pfeil dargestellt. Die Länge gibt den Betrag der physikalischen Größe an, der Winkel die Richtung der wirkenden Größe.

Der Vektor der Amplitude ist im Folgenden durch einen roten Pfeil dargestellt. Dabei repräsentiert die Länge des Pfeils den Betrag der Intensität, sein Winkel gibt die Ebene an, in der die Lichtwelle schwingt. Beträgt der Winkel zwischen beiden Polarisationsfiltern 0º, so haben wir die maximale Durchlässigkeit Imax. In einem Koordinatensystem sieht das dann so aus:

 

Maximale Durchlässigkeit, Winkel 0 Grad.

Maximale Durchlässigkeit, Winkel 0º.

 

Verdrehen wir das Filter um 90º, wird der Lichtdurchgang vollständig gesperrt.

 

Vollständige Sperrung bei 90 Grad.

Vollständige Sperrung, Winkel 90º

 

 

Die Projektion des Amplituden-Vektors auf die senkrechte Achse ergibt die durchlässigen Anteile. Die Projektion auf die horizontale Achse ergibt die undurchlässigen Anteile.

 

Durchlässige- und undurchlässige Anteile ergeben sich aus der Projektion des Vektors auf die Koordinatenachsen.

Durchlässige- und undurchlässige Anteile ergeben sich aus der Projektion des Amplituden-Vektors auf die Koordinatenachsen.

Bei einem Winkel von 90º ist die Durchlässigkeit I = 0. Auch cos 90º ist 0.  Bei einem Winkel von 0º ist die Durchlässigkeit I = Imax.   und  cos 0º ist 1.  Wir können daher annehmen, daß der Zusammenhang zwischen Winkel und Durchlässigkeit durch die Cosinus-Funktion korrekt beschrieben wird. Gleichung (1) können wir dann folgendermaßen schreiben:

I = Imax · cos² ∝ (2)

Die mathematische Gleichung deckt sich mit unserer Beobachtung. Bei kleinen Winkeln passiert zunächst noch nicht viel, aber ab dann geht es sehr schnell mit der Abnahme der Licht-Intensität, es ist eine quadratische Abnahme.

Im zweiten Teil kommen wir dann zu unserem λ/4-Plättchen und zum Zirkularpolarisationsfilter.

Vorher aber noch einige Mikrofotos von Brenzcatechin. Dazu wurden einige Kristalle auf einem Objektträger im Methylethylketon gelöst. Nach wenigen Minuten setzt die Kristallisation ein. Vorsicht beim Umgang mit Brenzcatechin. Der Stoff ist giftig und die Kristalle verdampfen recht schnell!  Also nie offen stehen lassen! Nur mit  kleinen Mengen arbeiten.

 

Brenzcatechin im polarisierten Licht, ohne Lambda-Plättchen

Brenzcatechin im polarisierten Licht ohne λ/4-Plättchen.

 

Brenzcatechin im polarisierten Licht, mit Lambda/4-Plättch

Brenzcatechin im polarisierten Licht mit  λ/4-Plättchen.

 

Brenzcatechin im polarisierten Licht mit λ/4-Plättchen.

Brenzcatechin im polarisierten Licht ohne  λ/4-Plättchen.

 

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Brenzcatechin im polarisierten Licht mit λ/4-Plättchen.

Auch die folgenden Aufnahmen sind  Brenzcatechin. Das interessante daran ist, sie stammen, zusammen mit den oberen Aufnahmen, von einem einzigen Objektträger. Ich möchte damit zeigen, wie vielfältig die Motive von Mikrokristallen sein können.

 

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Brenzcatechin im polarisierten Licht ohne λ/4-Plättchen.

 

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Brenzcatechin im polarisierten Licht mit λ/4-Plättchen.

 

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Brenzcatechin im polarisierten Licht ohne λ/4-Plättchen.

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle. Im nächsten Blogbeitrag folgt der zweite Teil mit der Besprechung des λ/4-Plättchens und des Zirkularpolarisationsfilters.

Bis dahin wünsche ich eine gute Zeit.

H-D-S

p.s.

Wer Freude an schönen Bildern von Mikrokristallen hat, sie aber nicht selber fotografieren will, dem empfehle ich meinen neuen Kalender für 2017, der seit dem ersten Juni im Handel ist.

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Titel: Surreale Farbwelten-Mikrokristalle

Autor: Dieter Schenckenberg

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Mikrofotos im polarisierten Licht mit zusätzlicher Verzögerungsplatte.

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

ich hatte es angekündigt, und hier kommt sie, die λ/4-Verzögerungsplatte.

Sie bewirkt manchmal wahre Farbwunder, wie die später gezeigten Aufnahmen dokumentieren werden.

Für Mikrofotos im polarisierten Licht verwenden wir normalerweise 2 lineare Polarisationsfilter, den Polarisator und den Analysator. Dazwischen befinden sich unsere Mikrokristalle. Was dabei physikalisch passiert, habe ich in früheren Blogbeiträgen ausführlich beschrieben. Wie gesagt, normalerweise werden lineare Polarisationsfilter verwendet. Daneben gibt es zirkulare Polarisationsfilter. Diese werden meist beim Fotografieren eingesetzt. Auch hochwertige Sonnenbrillen verwenden manchmal Zirkularpolarisationsfilter. Was ist nun aber der  Unterschied zwischen den beiden Filtertypen? In meinem nächsten Blogbeitrag werde ich das ausführlich darstellen, heute nur soviel: Bei linearen Polarisationsfiltern bewegen sich die Wellen des polarisierten Lichts geradlinig. Bei Zirkularpolarisationsfiltern führen sie eine schraubenförmige Bewegung aus.

Was hat das Ganze nun aber mit einer λ/4-Verzögerungsplatte zu tun? Kombiniert man ein lineares Polarisationsfilter mit einer λ/4-Verzögerungsplatte, so erhält man ein Zirkularpolarisationsfilter. Die Verzögerungsplatte wandelt also ein lineares Polarisationsfilter in ein zirkulares Polarisationsfilter um. Beide Elemente sind fest miteinander verbunden. Bei den im Folgenden gezeigten Mikrofotos wurde eine λ/4-Verzögerungsplatte auf das lineare Polarisationsfilter über der Beleuchtung gelegt, und  um verschiedene Beträge gedreht. Ein Zirkularpolarisationsfilter ersetzt also nicht die bewegliche Kombination aus Verzögerungsplatte und linearem Polarisationsfilter. Was kann man mit dieser Filterkombination anstellen?

Gelegentlich zeigen Mikrokristalle im linear polarisierten Licht nicht die erhofften tollen Farben. Dann kann eine Verzögerungsplatte helfen. Hier zwei Beispiele mit Mikrokristallen von Brenzcatechin:

Brenzcatechin im liear polarisierten Licht.

Brenzcatechin im linear polarisierten Licht.

 

 

Brenzcatechin im polarisierten Licht, zusätzlich mit Lamda/4-Plättchen.

Brenzcatechin im polarisierten Licht, zusätzlich mit λ/4-Plättchen.

 

 

 

Brenzcatechin im linear polarisierten Licht.

Brenzcatechin im linear polarisierten Licht.

 

Brenzcatechin im polarisierten Licht, zusätzlich mit Lambda/4-Plättchen.

Brenzcatechin im polarisierten Licht, zusätzlich mit λ/4-Plättchen.

 

Um diese Effekte zu erzielen, muß man über dem Polarisator das λ/4-Filter anordnen und beide Filter gegeneinander verdrehen. Je nach Drehwinkel erhält man unterschiedliche Farbwirkungen. Verzögerungsplatten gibt es im Handel als Folien. 5×5 cm kosten ca. 15-20 Euro. Hochwertige Verzögerungsplatten, z.B. aus Quarz kosten ca. 400 Euro. Für unsere Zwecke sind Folien völlig ausreichend.

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle. In meinem nächsten Blogbeitrag beschreibe ich die physikalischen Hintergründe von linear und zirkular polarisiertem Licht etwas genauer und es gibt weitere Fotos von Brenzcatechin, das älteren Lesern dieses Blogs wohl noch als Fotoentwickler in guter Erinnerung ist.

Bis dahin wünsche ich eine gute Zeit.

H-D-S

p.s.

Wer Freude an schönen Bildern von Mikrokristallen hat, sie aber nicht selber fotografieren will, dem empfehle ich meinen neuen Kalender für 2017, der seit dem ersten Juni im Handel ist.

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Mikrokristalle aus Schmelzen von Stoffmischungen.

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

viele chemische Substanzen bilden schöne Kristallformen aus Schmelzen heraus.

Manchmal ergeben sich überraschende Kristallformen, wenn man ein Stoffgemisch aufschmilzt. Auch wenn eine chemische Verbindung nicht thermostabil ist und nur unter Zersetzung schmilzt, kann es sinnvoll sein, sie gemeinsam mit einer anderen aufzuschmelzen um den Schmelzpunkt zu senken.

Fragen wir uns einmal was passiert, wenn man ein Zweistoffgemisch zum Schmelzen bringt und langsam wieder abkühlen läßt. Das folgende Phasendiagramm beschreibt diesen Vorgang. Es gilt für Zweistoffsysteme, bei denen beide Komponenten in der Schmelze vollkommen löslich und im festen Zustand vollkommen unlöslich sind. Letzteres bedeutet, daß sie keine Mischkristalle bilden können.

Phasendiagramm

Phasendiagramm

Stellen wir uns vor, wir haben eine Mischung aus 2 Komponenten, wir nennen sie A und B. Auf der waagerechten Achse des Phasendiagramms sind die prozentualen Anteile der Komponenten aufgetragen. Ganz links beginnt Stoff A mit 100% und endet ganz rechts mit 0%. Umgekehrt beginnt B ganz rechts mit 100% und endet ganz links mit 0%. An jeder Stelle der Achse addieren sich A+B zu 100%. Wir wollen annehmen, in unserer Mischung hat A den prozentualen Anteil A1.  Dann hat B den Anteil 100-A1.  A1 ist rot im Phasendiagramm eingezeichnet.

Auf der linken senkrechten Achse ist die Temperatur aufgetragen. Wir erwärmen unsere Mischung, bis sie vollkommen geschmolzen ist. Im Phasendiagramm befinden wir uns jetzt im oberen Bereich der Schmelze. Nun lassen wir die Schmelze langsam abkühlen. Wenn die Temperatur den Punkt T1 erreicht hat, stoßen wir auf die linke Liquiduslinie. Sobald diese Linie erreicht ist, beginnt die Kristallisation von Stoff A, meist in großen Kristallen. Bei weiterem Abkühlen erreichen wir die Temperatur Te und eine Linie, die Soliduslinie genannt wird. Ab dieser Temperatur kristallisiert der ganze Rest der Schmelze, der aus bis dahin noch nicht kristallisiertem Stoff A und dem gesamten Stoff B besteht. Die Kristalle des Gemenges aus A +B sind meist sehr feinkörnig, da die Kristallisation sehr schnell erfolgt. Auf der linken Liquiduslinie liegen somit die Temperaturen, bei denen, in Abhängigkeit von der Zusammensetzung der Stoffmischung, A aus der Schmelze zu kristallisieren beginnt. Das Gleiche gilt für Stoff B auf der rechten Liquiduslinie.

Wir sehen im Phasendiagramm, daß die zwei Liquiduslinien in einem Punkt (rot eingezeichnet) auf die Soliduslinie treffen. Zu diesem Punkt gehören die Konzentrationen Ae und Be. Dieser Punkt ist der  eutektische Punkt. Wählt man eine Mischung von A und B mit den Konzentrationen Ae und Be, so geht die gesamte Schmelze, wie man an dem Diagramm ablesen kann, bei der Temperatur Te schlagartig in ein feinkristallines Gemenge von A+B (Eutektikum genannt) über. Es kristallisiert vorher also keine der reinen Komponenten aus. Die Temperatur Te ist die niedrigste Erstarrungstemperatur die bei einem Gemisch von A und B möglich ist.

Wählt man in einer Mischung aus A und B die Konzentration von A größer Ae, bewegen wir uns auf der linken Liquiduslinie und es  wird aus der Schmelze immer zuerst A alleine auskristallisieren, und dann erst unterhalb Te der Rest von A mit dem gesamten B als feinkristallines Gemenge.

Wählt man das Mischungsverhältnis von A und B so, daß die Konzentration von A kleiner ist als Ae, bewegen wir uns auf der rechten Liquiduslinie, und es wird beim Abkühlen immer zuerst B auskristallisieren, auch wieder meist in großen Kristallen, bis auch hier die Temperatur  Te erreicht ist, dann kristallisieren A und der Rest von B als Gemenge in kleinen Kristallen.

Wo die linke Liquiduslinie auf die linke Temperaturachse trifft, liegt der Schmelzpunkt von A. Entsprechend liegt der Schmelzpunkt von B an dem Punkt, an dem die  rechte Liqiudusline auf die rechte Temperaturachse trifft.

Soweit die Theorie. Welche praktischen Schlüsse kann man für unsere Mikrokristalle ziehen? In aller Regel haben wir kein Phasendiagramm der Stoffe, die wir mischen wollen zur Hand. Aber wir wissen jetzt, daß bei einer Mischung, egal in welchem Verhältnis wir die Komponenten mischen, der Schmelzpunkt erniedrigt wird. Das kann hilfreich sein, wenn der Stoff von dem wir Kristalle aus der Schmelze erzeugen wollen, nicht thermostabil ist. Ferner sehen wir am Phasendiagramm, daß je nach Mischungsverhältnis, immer einer der Stoffe zuerst und in reiner Form  kristallisiert. Hier muß man mit den Mischungsverhältnissen etwas experimentieren wenn man will, daß ein bestimmter Stoff zuerst kristallisiert. Wichtig ist, daß man langsam abkühlt, weil sonst die Phasen zu schnell durchlaufen werden. Es wird meist auch besser sein, ein Mischungsverhältnis zu wählen, bei dem eine Komponente stark überwiegt.

Auf einem Objektträger wird man, langsames Abkühlen vorausgesetzt, bei Schmelzen aus 2 Komponenten neben meist schönen großen Kristallen feines Grieselzeug (Eutektikum) finden. Hier gleich ein Beispiel: Eine Mischung aus 20% Asparagin und 80% Harnstoff wurde auf einem Objektträger mit Deckglas aufgeschmolzen und langsam auf einer Herdplatte abgekühlt.

Schmelze aus 20% L-Asparagin und 80% Harnstoff

Schmelze aus 20% L-Asparagin und 80% Harnstoff

Ich möchte zwar nicht garantieren, daß die links sichtbaren feinkristallinen Anteile wirklich die Kristalle sind, die unterhalb der eutektischen Temperatur Te schlagartig kristallisiert sind, aber einiges spricht durchaus dafür.

Einen Nachteil hat das Arbeiten mit Mischungen. Reine Stoffe kristallisieren immer besser als verunreinigte. Der Kristallisationsvorgang wird durch Verunreinigungen immer gestört und das Mischen ist in diesem Sinne ja ein gezieltes „Verunreinigen“. Dennoch Experimentieren lohnt sich.

Hier zur Entspannung einige Aufnahmen, die alle aus einer Mischung von 20% L-Asparagin mit 80% Harnstoff entstanden sind. (Harnstoff ist nicht thermostabil und zersetzt sich beim Schmelzen).

 

20% L-Asparagin 80% Harnstaff

20% L-Asparagin 80% Harnstoff

 

20% L-Asparagin 80% Harnstoff

20% L-Asparagin 80% Harnstoff

 

20% L-Asparagin 80% Harnstoff

20% L-Asparagin 80% Harnstoff

 

20% L-Asparagin 80% Harnstoff

20% L-Asparagin 80% Harnstoff

Wer Freude an schönen Bildern von Mikrokristallen hat, sie aber selber nicht fotografieren will, dem empfehle ich meinen neuen Kalender für 2017, der seit dem ersten Juni im Handel ist.

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Titel: Surreale Farbwelten-Mikrokristalle

Autor: Dieter Schenckenberg

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Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle.

Manchmal wirken Mikrokristalle auch im polarisierten Licht farblich nicht sehr beeindruckend. Da kann eine Verzögerungsfolie wahre Wunder wirken. Das wird das Thema meines nächsten Blogbeitrags sein.

Bis dahin wünsche ich eine gute Zeit und erfolgreiche Experimente mit Stoffmischungen.

 

H-D-S

 

 

 

 

 

 

L-Asparagin und L-Asparaginsäure: Spargelinhaltsstoffe für tolle Mikrokristalle

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

es ist Spargelzeit, eine gute Gelegenheit, sich dem L-Asparagin und der L-Asparaginsäure zu widmen. Beide Aminosäuren kommen, wie schon der Name sagt, im Spargel vor. Das L-Asparagin war die erste Aminosäure die entdeckt wurde. Es war, wie so oft, der Zufall im Spiel. Der französische Professor Louis-Nicolas Vauquelin fand zusammen mit seinem Studenten Pierre -Jean Robquet 1805 in einer eingedickten Lösung von Spargelsaft Kristalle, die sie Asparagin nannten. Hier die chemische Formel:

L-Asparagin

L-Asparagin

Das mit dem roten Stern gekennzeichnete Kohlenstoffatom ist, wie man sieht, asymmetrisch. Es gibt also zwei im räumlichen Aufbau unterschiedliche Formen des Asparagins, (Stereoisomere oder Enantiomere) die daher auch optisch aktiv sind. (Informationen zur optischen Aktivität und zu asymmetrischen Kohlenstoffatomen findet man in meinem Blogbeitrag zur Weinsäure. Hier gibt es auch Hinweise, wofür das „L“ steht). Ersetzt man beim Asparagin die Amidgruppe (-CONH2) durch eine Carboxylgruppe (-COOH), so erhält man die Asparaginsäure.

L-Asparaginsäure

L-Asparaginsäure

Auch sie besitzt ein asymmetrisches Kohlenstoffatom und ist somit auch optisch aktiv. Beide Aminosäuren wird uns ein freundlicher Apotheker verkaufen oder beschaffen können. Für die Mikrofotos habe ich jeweils die L-Aminosäuren verwendet. Dieses sind auch die in der Natur vorkommenden Formen. Alle Proteine (Eiweißstoffe) des Menschen sind aus nur 20 Aminosäuren aufgebaut, eine davon ist die L-Asparaginsäure.

Sowohl das L-Asparagin, als auch die L-Asparaginsäure  lösen sich gut in heißem Wasser. In Spiritus sind sie nur sehr wenig löslich. Aus Schmelzen kann man keine Kristalle auf dem Objektträger gewinnen, da beide Verbindungen erst bei sehr hoher Temperatur schmelzen und sich dabei zersetzen. Woran liegt das? Beide Stoffe sind Zwitter. Schaut man sich die Moleküle an, so sieht man, daß sie sowohl eine bzw. bei der L-Asparaginsäure 2 Carboxylgruppen und jeweils eine Aminogruppe besitzen. Sie sind also zugleich Säuren und Basen. Bringt man Säuren und Basen zusammen, so bilden sie Salze. Wenn ein Molekül sowohl  saure als auch basische Eigenschaften besitzt, kann es ein inneres Salz bilden. Das ist bei der L-Asparaginsäure und dem L-Asparagin der Fall. Das erklärt auch die schlechte Löslichkeit in Spiritus und anderen organischen Lösungsmitteln. Und als Salze besitzen beide Verbindungen auch einen hohen Schmelzpunkt.

Wir müssen uns also auf das Kristallisieren aus wässriger Lösung beschränken. Beide Verbindungen bilden aber sehr schöne farbige Kristalle. Bringt man in einem Becherglas 250 mg L-Asparagin oder L-Asparaginsäure in 15 ml dest. Wasser zum Sieden, erhält man eine klare Lösung, von der man sofort einen Tropfen auf einen Objektträger gibt und an einem staubfreien Ort ohne Deckglas eintrocknen läßt. Beide Säure beginnen schon nach einigen Minuten zu kristallisieren.

Wer kein hitzebeständiges Becherglas besitzt kann auch Wasser in einem Wassererhitzer zum Sieden bringen und eine gute Teelöffelspitze L-Asparagin oder L-Asparaginsäure in einer kleinen Tasse oder einem kleinen Plastikgefäß mit ca. 15 ml Wasser (1/2 Schnapsglas) übergießen und mit dem Stiel eines Teelöffels gut umrühren. Davon je einen Tropfen auf einen Objektträger geben. Erfolgt die Kristallisation zu schnell, muß man etwas mehr Wasser nehmen, oder auch den Objektträger vorher vorsichtig auf einer Herdplatte erwärmen. (Nicht mit der Hand anfassen sondern mit dem Teelöffel von der Herdplatte schieben!). Sehr schöne Resultate erhält man, wenn man mit 1/3 Spiritus und 2/3 dest. Wasser als Lösungsmittel arbeitet. Die Lösung verteilt sich besser auf dem Objektträger. (Achtung! Spiritus ist sehr feuergefährlich. Niemals mit offener Flamme arbeiten!). Beim Erhitzen von Wasser im Becherglas beständig umrühren und Schutzbrille tragen. Rührt man beim Erhitzen nicht beständig, kann es zu einem Siedeverzug kommen, und das Wasser spritzt explosionsartig aus dem Becherglas. Also, immer eine Schutzbrille tragen.

Jetzt ein paar Fotos, die wie beschrieben, bei 100x Vergrößerung entstanden sind:

 

Asparaginsäure_blog_01

L-Asparaginsäure fotografiert unter dem Mikroskop im polarisierten Licht. Vergrößerung 100x

 

Asparaginsäure_02

L-Asparaginsäure fotografiert unter dem Mikroskop im polarisierten Licht. Vergrößerung 100x

 

Asparagin_01

L-Asparagin fotografiert unter dem Mikroskop im polarisierten Licht. Vergrößerung 100x

 

Asparagin_02

L-Asparagin fotografiert unter dem Mikroskop im polarisierten Licht. Vergrößerung 100x

 

Asparagin_03

L-Asparagin fotografiert unter dem Mikroskop im polarisierten Licht. Vergrößerung 100x

Versucht man die Säuren auf dem Objektträger aufzuschmelzen, zersetzen sie sich, wie schon ausgeführt. Dabei entstehen Blasen von Kohlendioxid. Das kann auch interessante Fotos geben, wie das folgende Beispiel zeigt:

 

Asparaginsäure_zersetzt

CO2-Blasen von zersetzter L-Asparaginsäure.

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle.

In meinem nächsten Blogbeitrag werde ich der Frage nachgehen, ob man die Schmelzpunkte des L-Asparagins und der L-Asparaginsäure durch bestimmte Maßnahmen herabsetzen kann, um die Zersetzung beim Aufschmelzen zu verhindern.

Bis dahin wünsche ich eine gute Zeit und viel Spaß beim Experimentieren mit dem L-Asparagin und der L-Asparaginsäure.

H-D-S

 

 

Mikrokristalle fotografieren mit dem Smartphone.

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

Mit einem einfachen Mikroskop und einer Smartphone-Kamera Mikrokristalle im polarisierten Licht fotografieren, geht das?

Ja, es geht und sogar gar nicht schlecht. Als Objekt dient das Schmerzmittel Paracetamol, das rezeptfrei in der Apotheke gekauft werden kann. Wie man daraus den Wirkstoff isoliert, findet man im Blog-Beitrag „Paracetamol“.

Das abgebildete Mikroskop ist ein Instrument der tschechischen Firma Meopta und wurde um 1980 herum gebaut. Es hat damals ca. 100 DM gekostet. Es ist ein so genanntes Feldmikroskop. Leider wird es nicht mehr hergestellt, manchmal findet man es noch bei eBay.

 

Meopta-Feldmikroskop

Meopta-Feldmikroskop

 

Das Mikroskop besitzt 3 Objektive 3,3x, 6,7x und 20x sowie ein Okular 15x. Die für die Aufnahmen erforderliche Polarisationseinrichtung wird aus einer linearen Polarisationsfolie zurecht geschnitten. Im Internet gibt es, z.B. von der Firma Screen-Tech, lineare Polarisationsfilter-Folien 100 x 100 x 0,4 mm. Kostenpunkt ca. 20 EURO pro Folie. Als Polarisator wird ein Folienstück in der Größe eines Objektträgers mit Tesafilm auf den Objekttisch geklebt.

 

Polarisator

Polarisator

Ein zweites Folienstück, etwa in der Größe einer 2 EURO-Münze, dient als Analysator und wird direkt auf den Objektträger gelegt. Man hat also ein Sandwich, Objektträger mit Präparat zwischen 2 Polarisationsfiltern.  Verwendet man kein Deckglas, wird die Analysator-Folie besser auf das Okular gelegt. Auf jeden Fall muß der Analysator drehbar sein.

Die Kamera eines Samsung Galaxy S5 dient als Aufnahmegerät. Die  notwendige Halterung  wurde einem Objektiv-Set der Firma CamKix (Amazon) zweckentfremdet. Dieses Set enthält neben der Halterung und einer Schale mit Gewinde noch verschiedene Objektive und ein kleines Stativ mit Kugelkopf. Die Objektive, (finden hier keine Verwendung),  werden mittels dieser Einrichtung vor das Smartphone-Objektiv geschraubt. Solche Sets gibt es für fast alle gängigen Smartphones. Das Set kostet ca. 35 EURO. (Stand April 2016).

 

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Samsung Galayx S5 mit Gewindeschale und Halterung.

Die schwarze Schale setzt man auf das Smartphone und klemmt darüber die Halterung mit dem Stativgewinde an.

Samsung Galaxy S5 mit Halterung zusammengebaut.

Samsung Galaxy S5 mit Gewindeschale und Halterung zusammengebaut.

Um das Smartphone bequem über dem Mikroskop platzieren zu können, kann z.B. das Stativ eines alten Vergrößerungsapparates verwendet werden, an das ein Kugelkopf geschraubt wird. Natürlich muss der Kugelkopf nicht so groß dimensioniert sein wie hier gezeigt. Dieser trägt normalerweise das Gewicht einer Spiegelreflexkamera. Für ein Smartphone reicht ein ganz einfacher, der unter 20 EURO kostet.

 

Smartphone an Stativ

Samsung Galaxy S5 mit Kugelkopf an Stativ.

Das Smartphone wird exakt mit einer Wasserwaage ausgerichtet. Wer keine Wasserwaage besitzt, kein Problem. Man kann sich kostenlos aus dem Internet eine auf das Smartphone herunterladen und es damit sauber ausrichten. Das funktioniert ganz ausgezeichnet, sogar besser, als mit der hier gezeigten externe Wasserwaage.

Jetzt wird der Objektträger mit dem Paracetamol-Kristallen auf dem Objekttisch des Mikroskops plaziert.  Man legt die zweite Polarisationsfilter-Folie darüber. Durch Höhenverstellung des Objekttisches wird scharf gestellt. Dann dreht man die obere Folie, bis der Raum um die farbigen Kristalle herum schwarz ist. Das Mikroskop wird nun unter das Smartphone geschoben und die Kamera eingeschaltet.

Gesamter Aufbau

Gesamter Aufbau

 

Das Smartphone wird soweit heruntergefahren, bis nur noch ein schmaler Spalt zwischen Okular und Smartphone vorhanden ist.

 

Abstand

Abstand

Wenn das Smartphone exakt ausgerichtet ist und das Okular des Mikroskops genau mittig unter dem Kameraobjektiv steht, ist nach dem Scharfstellen am Mikroskop ein scharfes Bild auf dem Smartphone zu sehen, das schwarze Ränder hat wie auf den folgenden Aufnahmen zu sehen ist. Die Bilder sind unbearbeitet. Weder Schärfe, noch Kontrast oder Farbe wurden verändert! Um bei der Aufnahme Verwacklungen zu vermeiden, wurde mit Selbstauslöser ausgelöst.

 

Paracetamol_01

Paracetamol aufgenommen mit Samsung Galaxy S5 und Meopta Feldmikroskop.

 

 

Paracetamol_2

Paracetamol aufgenommen mit Samsung Galaxy S5 und Meopta Feldmikroskop.

 

Paracetamol_3

Paracetamol aufgenommen mit Samsung Galaxy S5 und Meopta Feldmikroskop.

 

Hier ein Beispiel, wenn Okular und Mikroskop nicht exakt ausgerichtet sind:

 

20160424_122811

Kamera-Objektiv und Okular sind nicht exakt ausgerichtet.

 

Manchmal sind Kristalle aus der reinen Spirtus-Lösung nicht sehr schön. Dann kann man zu der Spirituslösung ca. die gleiche Menge destilliertes Wasser geben und erneut eine Probe auf einem Objektträger kristallisieren lassen. Häufig entstehen so noch schönere Kristallbilder. Man kann später auf die Kristall-Proben ein Deckglas legen und die Probe vorsichtig auf einer Herdplatte aufschmelzen. Über Nacht entstehen daraus sehr interessante Kristallformationen.

Es ist doch wirklich erstaunlich, wie man mit relativ einfachen Mitteln in die fantastische Farben- und Formenwelt der Mikrokristalle im polarisierten Licht eintauchen kann. Vielleicht erreicht dieser Beitrag auch experimentierfreudige Schülerinnen und Schüler, die ich ermutigen möchte, erste Schritte in diesem Feld der surrealen Biderwelten zu wagen.

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle. Es ist Spargelzeit, ein guter Grund sich mit der Asparaginsäure zu befassen, die daher das Thema meines nächsten Blogbeitrags sein wird.

 

Bis dahin wünsche ich eine gute Zeit.

 

H-D-S

 

 

 

 

 

 

 

 

Cumarin ein Duft- und Geschmacksstoff für Mikrokristalle der Extraklasse.

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,
vor etwa zehn Jahren und auch immer mal wieder danach, geriet das Cumarin in den Focus der Presse. Was war der Grund?
Weihnachtsgebäck, und hier besonders Zimtsterne wiesen teilweise einen unzulässig hohen Gehalt an Cumarin auf. Woher kam dieser Stoff? Cumarin ist Bestandteil vieler Naturprodukte. Auch in der Rinde des Zimtbaums ist es enthalten. Im Handel werden 2 Sorten von Zimt angeboten, der Ceylon-Zimt und der viel preiswerteren Cassia-Zimt der u.a. aus China und Indonesien kommt. Letzterer besitzt einen sehr viel höheren Cumarin-Gehalt als Ceylon-Zimt. Die Sorten kann man als Stangen, wenn man sie im Querschnitt betrachtet, voneinander unterscheiden. Beim Ceylon-Zimt sieht man mehrere Röhrchen, die ineinander geschoben sind, wogegen der Cassia-Zimt aus einem einzigen dickeren Röhrchen besteht.

Cumarin kann in höheren Konzentrationen zu Lebererkrankungen führen. Manche Menschen besitzen dafür eine besondere Disposition. Es ist daher verboten, Cumarin als Reinsubstanz in Nahrungsmitteln einzusetzen. Über das Gewürz Zimt zugeführt, hat der Gesetzgeber verschiedene Grenzwerte, abhängig vom Nahrungsmittel festgelegt. (Man darf sich allerdings fragen, wie ein Bäckermeister den Cumarin-Gehalt in seinen Zimtsternen ermitteln will). In der kosmetischen Industrie ist Cumarin als Duftstoff ohne Begrenzung zugelassen, es gibt lediglich ab einer bestimmten Konzentration eine Deklarationspflicht.

Der typische Geruch des Zimts rührt nicht primär vom Cumarin, sondern vom Zimtaldehyd her. Auch im Waldmeister-Aroma spielt das Cumarin eine Rolle. Den ganz typischen Geruch vom Cumarin findet man im frischen Heu.

Hier die chemische Formel:

Cumarin

Cumarin

Mikrokristalle von Cumarin zeichnen sich durch eine sehr vielfältige Farbenpracht unter dem Mikroskop im polarisierten Licht aus. Das gilt besonders, wenn man die Kristalle aus der Schmelze gewinnt. Dabei sollte man aber etwas beachten: Kühlt die Schmelze zu schnell ab, werden die Kristalle sehr fein und sind ziemlich unansehnlich. Man kann zur Gewinnung schöner Kristalle folgendermaßen vorgehen:

Auf einen Objektträger wenige Kristalle geben und mit einem Deckgläschen abdecken. Auf z.B. einer Herdplatte bis zum Schmelzen erwärmen. Cumarin schmilzt schon bei ca. 69 Grad Celsius. Nach dem Abkühlen findet man unter dem Mikroskop meist einen wenig farbigen Kristallbrei. Jetzt mit einem Föhn den Objektträger von unten vorsichtig erwärmen, bis die Kristalle wieder weitgehend, aber keinesfalls vollständig geschmolzen sind. Es kristallisieren meist wunderschöne Kristalle, die von der Form her wie Eisblumen am Fenster aussehen, und die unter dem Mikroskop im polarisierten Licht sehr prächtige Farben zeigen. Man kann diesen Vorgang mehrmals wiederholen und erhält immer wieder andere Farben und Formen.

Und hier ein paar Bilder, die auf diese Weise entstanden sind:

 

Cumarin_01

Cumarin_01

 

Cumarin_02

Cumarin_02

 

Cumarin_03

Cumarin_03

 

Cumarin_05

Cumarin_05

Im Chemikalienhandel kann man Cumarin nur kaufen, wenn man selbständig ist und über einen Sachkundenachweis verfügt. Vielleicht hilft bei Kleinstmengen ein Apotheker, wenn man ihm sagt, was man damit vorhat. Aus Zimtpulver läßt sich Cumarin nur mit relativ großem Aufwand isolieren.

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle. In meinem nächsten Blogbeitrag geht es um die Köhlersche Beleuchtung.

Bis dahin wünsche ich eine gute Zeit.

H-D-S

 

 

 

 

 

 

 

 

HDRI-Technik angewandt auf Fotos von Mikrokristallen III.

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

das Thema HDR (High Dynamic Range) möchte ich abschließen mit einer Simulation des Tone Mapping-Verfahrens. Wir erinnern uns: Beim Tone Mapping wird der Kontrastumfang eines Hochkontrastbildes (Farbtiefe 16-32 Bit) soweit verringert, daß es auf herkömmlichen Ausgabegeräten (Bildschirmen oder Druckern) dargestellt werden kann (Farbtiefe 8 Bit). Was bedeutet eigentlich Farbtiefe von 8 oder 16 Bit?

Um das zu verstehen, machen wir einen kleinen Ausflug in die Arbeitsweise der Computerspeicher. Stellen wir uns einen Computerspeicher vor, wie ein kariertes Blatt Papier. Jedes Karo ist ein Bit, das kleinste ansprechbare Speicherelement. Bits kennen keine Farben. Sie kennen nur zwei Zustände, ausgedrückt in den Zahlen „0“ und „1“. Wir können in ein Karo also entweder eine „0“ schreiben, oder eine „1“. Mehr geht nicht. Farben müssen also irgendwie in Kombinationen dieser 2 Ziffern dargestellt werden.

Digitale Bilder sind aus drei Grundfarben aufgebaut: Rot, Grün und Blau. Für jede dieser drei Grundfarben reservieren wir auf unserem karierten Blatt separate Speicherplätze, die wir Farbkanäle nennen. Es gibt also einen roten (R), einen grünen (G), und einen blauen (B) Farbkanal. Nehmen wir einmal an, wir reservieren für jeden Farbkanal genau je einen Speicherplatz, den wir mit einer „0“ oder einer „1“ belegen können. Schreiben wir z.B. in den roten Farbkanal eine „0“ so bedeutet das, er enthält keine Farbe. Schreiben wir eine „1“ hinein, enthält er die Farbe Rot. Analog können wir mit den beiden anderen Farbkanälen verfahren. Es ergeben sich dann daraus, mathematisch ausgedrückt,  ( 2 ^ 1 )^ 3 = 8 mögliche Farbkombinationen, wie im folgenden Bild dargestellt:

Darstellbare Farben bei 1 Bit Farbtiefe.

Darstellbare Farben bei 1 Bit Farbtiefe.

Stellen wir pro Farbkanal nur einen Speicherplatz zur Verfügung, so sprechen wir von einer Farbtiefe von einem Bit.

Erhöhen wir gedanklich die Farbtiefe auf 2 Bit. Dann stehen jedem Farbkanal 2 Speicherplätze zur Verfügung, die mit „0“ oder „1“ belegt werden können. Das bedeutet, daß wir jetzt die Farben in (2^2) = 4 unterschiedlichen Intensitäten darstellen könnten.

R                                          B

0 0                 0 0                    0 0

0 1                  0 1                    0 1

1 0                  1 0                    1 0

1 1                   1 1                    1 1

Kombiniert man die Farbabstufungen der Einzelfarben miteinander, ergeben sich (2^2)^3 = 64 verschiedene Farbkombinationen.

Der sRGB-Farbraum arbeitet mit einer Farbtiefe von 8 Bit pro Farbkanal. Somit ergeben sich pro Farbkanal 2^8 = 256 Farbabstufungen. Die 3 Kanäle wiederum miteinander kombiniert ergeben (2^8)^3 = 16.777.216 also rund 17 Millionen Farben. Und für einen 16-Bit-Farbraum kommen wir auf (2^16)^3 = 281.474.976.710.656, also rund 281 Billionen mögliche Farben. Gute Bildschirme im Amateurbereich können den sRGB-Farbraum zu 100% abdecken. Nur für den professionellen Gebrauch decken Bildschirme den vollen RGB-Farbraum ab.

Kehren wir von unserem kleinen Ausflug zurück zu unserem Ziel, das Tone Mapping zu simulieren. Wer Photoshop Elements besitzt, im vorliegenden Beispiel wurde Photoshop Elements 14 benutzt, kann diese Simulation durchführen. Es wird hierbei der Kontrastumfang des Bildes kontrolliert reduziert.

Photoshop Elements besitzt ein Camera-RAW-Plugin, mit dem man auch Bilder im JPG-Format öffnen kann. Durch Verschieben der Schwarz-, Weiss-, Tiefen-, Lichter- und Klarheit- Regler kann man ein Tone Mapping simulieren und erreicht durchaus beachtliche Ergebnisse.

Ich möchte mich nicht mit fremden Federn schmücken, diese Technik habe ich dem sehr lesenswerten Buch „Photoshop Elements 14“ von Jürgen Wolf entnommen. Legen wir also los:

Als Ausgangsbild habe ich wieder das gleiche Mikrofoto von Cumarin verwendet wie in den beiden vorausgegangenen Blog-Beiträgen. Die dunklen Bereiche sind hier viel dunkel.

02_Cumarin

Mikroaufnahme von Cumarin im polarisierten Licht.

In Camera-Raw das Bild öffnen:

 

JPG in Camera RAW

Öffnen einer JPG-Aufnahme in Camera RAW

 

Cumarin in Camera RAW

Mikroaufnahme von Cumarin in Camera RAW.

 

bild_02.1

Originalstellung der Regler.

Jetzt die Regler rechts im Bild folgendermaßen verstellen:

Schwarz ganz nach rechts auf +100

Weiß ganz nach links auf -100

Tiefen ganz nach rechts auf +100

Lichter ganz nach links auf -100

Klarheit ganz nach rechts auf +100

 

bils_03.1

 

Simuliertes Tone Mapping.

Simuliertes Tone Mapping.

Und hier die durch simuliertes Tone Mapping generierte Aufnahme:

Simuliertes Tone Mapping

Durch simuliertes ToneMapping (Dynamikkompression) verbesserte Mikroaufnahme von Cumarin.

Die Aufnahme hat doch gewaltig gewonnen.

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle. Im nächsten Blogbeitag zeige ich Euch, wie man schöne Mikrokristalle von Cumarin, einem Stoff, der u.a. im Zimt enthalten ist, erzeugen kann.

Bis dahin wünsche ich eine gute Zeit.

H-D-S

 

Zoomen mit der Spiegelreflexkamera an einem monokularen Mikroskop.

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

wie kann man beim Fotografieren im polarisierten Licht, am Mikroskop mit einer Spiegelreflexkamera zoomen?

Moderne Kameras, egal welchen Typs, verfügen meist über Zoomobjektive, die häufig auch zur Festlegung des Bildausschnitts genutzt werden. Bei einer Spiegelreflexkamera, die über einen Adapter und ohne Kameraobjektiv mit dem Mikroskop verbunden ist, haben wir diese Möglichkeit nicht.

Gelegentlich verwendete man auch heute noch für Nahaufnahmen ein Balgengerät. Es ermöglicht die kontinuierliche Verlängerung der Bildweite und führt so zur Vergrößerung des Abbildungsmaßstabes. Dabei wird der Balgen  zwischen Kameragehäuse und Objektiv geschaltet. Er besitzt einen, wie bei einer Ziehharmonika gefalteten, lichtdichten  Lederbalg, der auf einem Einstellschlitten  laufend, verlängert oder verkürzt werden kann. Der Lederbalg wird eingeschlossen von der Objektiv- und Gehäusestandarte. Das sind Metallringe, bei dem die Gehäusestandarte fest auf dem Einstellschlitten sitzt während die Objektivstandarte auf dem Einstellschlitten vor und zurück bewegt werden kann und so das Ausziehen des Balgs ermöglicht.

Den gleichen Effekt wie bei Nahaufnahmen erzielen wir auch am Mikroskop, wenn der Balgen zwischen Kameragehäuse und Mikroskop-Okular geschaltet wird. Auch hier kann durch kontinuierliches Verlängern oder Verkürzen der Balgenlänge den Abbildungsmaßstab vergrössern oder verkleinern werden.

Wohl dem, der aus alten Zeiten ein solches Schätzchen noch besitzt. Und wenn nicht, bei eBay werden Balgengeräte günstig angeboten, insbesondere mit dem alten M42-Gewinde auf beiden Seiten. Gerade das M42-Gewinde ist für unsere Zwecke ideal. Kameraseitig benötigen wir dann noch einen T2-Ring. Diese Ringe gibt es für praktisch alle Spiegelreflexkameras. Sie besitzen kameraseitig das jeweils passende Kameragewinde und auf der anderen Seite ein M42-Gewinde.  Über den T2-Ring wird die Kamera mit dem Balgengerät an der Kamerastandarte verbunden. Die Verbindung zum Mikroskop ist flexibel! Das Gewicht von Kamera und Balgengerät wird von einem Stativ getragen.

Altes Mikroskop

Das hier gezeigte Instrument ist ein monokulares Mikroskop älterer Bauart mit einem drehbaren Polarisationsfilter unter dem Kondensor. Bei diesem Mikroskoptyp erfolgt das Scharfstellen nicht wie bei modernen Mikroskopen über das Verstellen des Mikroskoptisches. Hier wird der Okulartubus zum Scharfstellen rauf- und runtergefahren. Daher darf das schwere Kameragehäuse einer Spiegelreflexkamera zusammen mit dem Balgengerät keinesfalls fest mit dem Tubus verbunden sein! Das Gewicht von Kamera und Balgen würde den Tubus herunterdrücken und das Scharfstellen unmöglich machen. Um das zu verhindern, kann man folgende Anordnung wählen:

Über den Mikroskoptubus, in dem das Okular eingesteckt ist, einen Plastikschlauch stülpen, der ca. 5 mm über den Okularrand hinausragt. (Solche Schläuche gibt es in jedem Baumarkt).

Zusätzlich benötigen wir ein Polarisationsfilter vor dem Okular,das mit dem Balgen mikroskopseitig verbunden ist. Mit wenig Mühe können wir uns eine Anordnung zusammenbasteln: Auf einen M42-Zwischenring (ebay) klebt man ein lineares oder zirkulares Polarisationsfilter. Verwendet man Zirkular-Polarisationsfilter, muß man unbedingt auf die richtige Seite achten. Man legt das Zirkular-Polarisationsfilter testweise auf das Okular, schaut durch das Mikroskop, ohne Objekt, und verdreht das obere oder untere Filter. Dabei sollte der Lichtdurchgang gesperrt werden. Ist das nicht der Fall, Zirkularpolarisationsfilter umdrehen. Der abgebildete Adapter besitzt noch einen T2-Ring, der hier natürlich überflüssig ist.

Mikroskop-Adapter

Mikroskopadapter bestehend aus T2-Ring, Zwischenring und Polarisationsfilter

Den M42-Zwischenring mit dem aufgeklebten Polfilter mikroskopseitig an das Balgengerät schrauben. Jetzt benötigen wir noch ein Stativ. Ideal ist das Stativ eines alten Vergrößerungsapparates. Auch ein Reprostativ tut seinen Dienst. An beiden Stativtypen kann man eine angeschraubte Kamera durch Drehen des Stativrades rauf- und runterfahren. Wir setzen aber statt einer Kamera das Balgengerät an das Stativ an. Balgengeräte besitzen dafür normalerweise 2 Schraubgewinde. Eins befindet sich an der Montageplatte des Balgens, das andere an der objektivseitigen  Kamerastandarte. Wir verbinden die Montageplatte mit dem Stativ und setzt das Kameragehäuse über den T2-Ring an die Kamerastandarte des Balgen an. Löst man die Arretierschraube am Balgen, ist der Lederschlauch frei auf dem Einstellschlitten verschiebbar. Wir stellen nun das Mikroskop unter die ganze Apparatur und fahren vorsichtig den Balgen mit der aufgesetzten Kamera durch Drehen des Stativrads herunter, bis das Polfilter am unteren Teil des Balgens gerade auf dem Plastikschlauch aufliegt. Der Vorteil dieser Anordnung:

 

  • Beim Auslösen der Kamera werden kaum Schwingungen auf das Mikroskop übertragen.
  • Über das Betätigen des Stativrades kann der Balgen kontinuierlich verlängert oder verkürzt werden. Damit können wir den Abbildungsmaßstab verändern, wir zoomen!
  • Die leichte Verschiebung des Tubus beim Scharfstellen am Mikroskop, wird durch den Balgen ausgeglichen, solange die Arretierschraube am Balgen nicht festgestellt ist.

 

Die Bildbeobachtung kann entweder über LiveView, Kamerasucher oder am besten am Bildschirm mit Hilfe einer geeigneten Software wie Nikon Camera Control oder digiCam Control erfolgen.

Hier 2 Beispiele, die mit dem oben abgebildeten Mikroskop aufgenommen wurden.

Mikrokristalle Harnstoff

Mikrokristalle von Harnstoff im polarisierten Licht.
Okular 10x, Objektiv 4x
Balgenauszug 0%

Mikrokristalle Harnstoff

Mikrokristalle von Harnstoff im polarisierten Licht.
Okular 10x, Objektiv 4x
Balgenauszug 50%

Mikrokristalle Harnstoff

Mikrokristalle von Harnstoff im polarisierten Licht.
Okular 10x, Objektiv 4x
Balgenauszug 100%

Mikrokristalle Harnstoff

Mikrokristalle von Harnstoff im polarisierten Licht.
Okular 10x, Objektiv 10x
Balgenauszug 0%

Mikrokristalle Harnstoff

Mikrokristalle von Harnstoff im polarisierten Licht.
Okular 10x, Objektiv 10x
Balgenauszug 50%

Mikrokristalle Harnstoff

Mikrokristalle von Harnstoff im polarisierten Licht.
Okular 10x, Objektiv 10x
Balgenauszug 100%

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle.

Der nächste Blogbeitrag hat die Adaption eines Balgen-Geräts an ein trinokulares Mikroskop am Beispiel des Bresser Researcher Trino zum Thema.
Bis dahin wünsche ich eine gute Zeit.

H-D-S

 

 

 

Harnstoff: Ein Wegbereiter der Organischen Chemie.

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

heute wenden wir uns, im Titel ist es schon angesprochen, einer sehr bedeutenden Substanz der Organischen Chemie zu, dem Harnstoff.

Was macht ihn so bedeutend?  1828 tritt der Harnstoff also Wegbereiter der Organischen Chemie in die Geschichte der Chemie ein. Bis dahin war man der Auffassung, dass chemische Substanzen, die in der belebten Welt, also im Pflanzen- und Tierreich vorkommen, nicht vom Menschen synthetisch hergestellt werden können. Man glaubte, eine besondere „Lebenskraft“ sein dazu erforderlich. Aber 1828 gelang es dem deutschen Chemiker Friedrich Wöhler, aus den rein anorganischen Ausgangsstoffen Kaliumcyanat und Ammoniumsulfat,  Harnstoff zu erzeugen. Damit war es erstmals gelungen, eine Substanz der belebten Natur im Labor aus anorganischen Stoffen herzustellen. Das war eine Sensation, zumindest aus heutiger Sicht, denn damals war sich Wöhler der ganzen Tragweite seiner Arbeit wohl gar nicht voll bewusst. Aber die Organische Chemie trat ihren Siegeszug um die Welt an. Bis heute sind etwa 40 Millionen organische Substanzen bekannt, mehre Millionen davon wurden künstlich in Laboratorien hergestellt.

Und alles begann mit dem Harnstoff. Darum gleich mal ein Foto von dieser tollen Substanz:

Harnstoff

Harnstoff-Kristalle unter dem Mikroskop im polarisierten Licht.

Chemisch betrachtet ist Harnstoff das Diamid der Kohlensäure. Für den Nichtchemiker: Im Mineralwasser kennen wir die sprudelnde Kohlensäure. Wenn diese unter bestimmten Bedingungen mit Ammoniak (Salmiakgeist) chemisch reagiert, (150 Grad Celsius 100 ATM. Druck), erhalten wir Harnstoff.

Im menschlichen und tierischen Körper entsteht Harnstoff als Abbauprodukt von Proteinen (Eiweiss). Wir scheiden täglich etwa 30 Gramm Harnstoff über den Urin aus, daher auch der Name.

Die chemische Formel von Harnstoff:

Harnstoff

Harnstoff

Und wenn die Formel auch sehr unspektakulär ist, Harnstoff bildet sehr schöne Mikrokristalle unter dem Mikroskop im polarisierten Licht:

Harnstoff

Harnstoff-Kristalle unter dem Mikroskop im polarisierten Licht.

Und nun wird es ganz aktuell und etwas heikel.

Wir wenden uns dem Dieselmotor und damit auch dem VW-Skandal zu. Die Verbrennung des Dieseltreibstoffs in Dieselmotoren erfordert sehr viel höhere Temperaturen und Drücke, als die Verbrennung von Benzin in Otto-Motoren. Die Verbrennungsluft enthält bekanntlich neben Sauerstoff auch Stickstoff. Unter den Temperatur- und Druckbedingungen im Dieselmotor, reagiert Luftsauerstoff mit Luftstickstoff zu Stickoxiden, besser bekannt unter der Bezeichnung NOx. Diese Bezeichnung wurde gewählt, weil es verschiedene Stickstoff/Sauerstoff- Verbindungen gibt: So ist N2O  das bekannte Lachgas, das in der Zahnmedizin also Narkosemittel verwendet wird. NO2 ist eine besonders giftige Verbindung, die sich in der Lunge mit Wasser zu Salpetersäure umsetzt. Diese Säure ist extrem giftig. Besonderes tückisch an den Stickoxiden ist, daß sie nicht einmal sehr ätzend riechen. Man hält beim Einatmen nicht sofort die Luft an.

Aus den Abgasen der Dieselautos werden die Stickoxide entfernt, und das mit Hilfe des Harnstoffs. Harnstoff reagiert chemisch mit ihnen und macht sie unschädlich. Dieser Prozess klingt sehr einfach, ist in der Praxis aber kompliziert. So muss die Harnstoffmenge sehr exakt dosiert werden, was einen erheblichen technischen Aufwand erforderlich macht. Einfacher ist es, den ganzen Mechanismus einfach abzuschalten, in der Hoffnung, daß es keiner merkt.

Hier gleich noch ein Foto des vielseitigen Harnstoffs:

Harnstoff

Harnstoff-Kristalle unter dem Mikroskop im polarisierten Licht.

Harnstoff bekommt man normalerweise ohne Probleme in der Apotheke, besonders wenn man dem Apotheker sagt, was man damit vorhat. Die Substanz ist sehr gut in Wasser und Spiritus löslich und kristallisiert aus beiden Lösungsmitteln sehr gut.

Einfach ein paar Kristalle auf einen sauberen Objektträger geben, einen Tropfen dest. Wasser oder Spiritus oder eine Mischung beider Lösungsmittel 1:1 hinzugeben. Die Kristalle lösen sich sofort. An einem staubfreien Ort ohne Deckglas eintrocknen lassen. Man kann die Proben später mit einem Deckglas abdecken und vorsichtig auf einer Herdplatte aufschmelzen. Harnstoff schmilzt bei 133 Grad Celsius unter Zersetzung. Darum schnell wieder von der Herdplatte nehmen, wenn die Kristalle geschmolzen sind. Unter dem Mikroskop, im polarisierten Licht finden wir farbenprächtige Kristalle.Die folgende Aufnahme ist so entstanden:

Harnstoff

Harnstoff, kristallisiert aus einer Schmelze unter dem Mikroskop im polarisierten Licht.

Es ist doch bemerkenswert: Bei Mensch und Tier verlassen die Abbauprodukte der Proteine den Körper in Form von Harnstoff über den Urin. In Dieselmotoren eliminiert  Harnstoff schädliches NOx und sorgt für saubere Abgase. Auch in Kraftwerken hilft Harnstoff die Rauchgase von NOx zu befreien, und nicht zu vergessen, wir können auch wunderschöne Mikrofotos davon machen.

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle.

Im nächsten Blogbeitag wenden wir uns der Frage zu, ob man am Mikroskop beim fotografieren auch zoomen kann.

Bis dahin wünsche ich eine gute Zeit.

H-D-S

 

 

Kristallwachstum unter dem Mikroskop beobachten und fotografieren.

Hallo liebe Freunde der Mikrokristalle,

es ist sehr spannend, das Wachstum von Mikrokristallen unter dem Mikroskop zu beobachten und zu fotografieren.

Geduld und auch Glück sind erforderlich. Nicht immer wachsen die Kristalle nach unserem Wunsche. Relativ einfach funktioniert es mit der Weinsäure. Auch Vitamin C (Ascorbinsäure) eignet sich sehr gut. Beides bekommt man in der Apotheke, wenn man dem Apotheker sagt, was man damit machen will. Zucker ist weniger geeignet, weil die Kristalle sehr langsam wachsen.

Die hier abgebildete Kristall-Serie ist folgendermaßen entstanden:

270 mg D-Weinsäure (eine Teelöffelspitze) wurden in einer Lösung aus 5 ml dest. Wasser und 5 ml Spiritus kalt gelöst. Ein Tropfen der Lösung wurde auf einen Objektträger ohne Deckglas gegeben und an einem staubfreien Ort getrocknet. Die entstandenen Kristalle wurden mit einem Tropfen Spiritus wieder teilweise gelöst. Der Objektträger wurde unter ein Mikroskop, ausgerüstet mit einer Spiegelreflexkamera und gekreuzten Polarisationsfiltern, gelegt. Sobald der Spiritus zu verdunsten begann, setzte die Kristallisation ein. Im Abstand von einer Minute wurden die folgenden Bilder aufgenommen:

D-Weinsäure

Die Aufnahmen, Vergrößerung 50x,  sind nicht besonders schön, aber es soll hier ja nur das Prinzip gezeigt werden.

Auf YouTube zeige ich das Wachstum von Vitamin C Kristallen. Die Bilder wurden über 30 Minuten im Abstand von 30 Sekunden aufgenommen. Daraus wurde eine Diashow erzeugt, die wie ein Film wirkt. Schaut es Euch mal an. Hier der Link: https://youtu.be/wBAHStWTcd8

Viele Kameras erlauben Intervallaufnahmen, es läßt sich sowohl der Zeitabstand als auch die Gesamtzahl der Bilder an der Kamera voreinstellen. Auch ein Fernauslöser ist für Intervallaufnahmen gut geeignet. Die beste Kontrolle besitzt man allerdings, wenn die Kamera über einen PC oder Laptop gesteuert wird. Man kann so die Entwicklung des Kristallwachstums auf dem Bildschirm beobachten und den Verschluss der Kamera (mit Spiegelvorauslösung, falls vorhanden) ohne Verwackelungsgefahr auslösen.

Bei den hier gezeigten Aufnahmen wurde das Softwareprogramm „CameraControl“ von Nikon verwendet. Für die meisten Spiegelreflexkameras, sie müssen aber über Liveshow verfügen, ist „Helicon Remote“ zur Steuerung der Kamera über einen Computer geeignet. Man kann es zusammen mit „Helicon Focus“ erwerben. Dieses Programm wurde schon einmal kurz in einem Blogbeitrag im Zusammenhang mit dem Stacking  (Erweiterung der Tiefenschärfe) vorgestellt.

Soviel für heute, liebe Freunde der Mikrokristalle.

Im nächsten Blogbeitrag wird die Steuerung der Kamera über einen Laptop etwas näher erläutert.

Bis dahin wünsche ich eine gute Zeit.

H-D-S